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Ilka Schröder

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Denkpause 20 | 30.11.02

Terror mit EU-Geldern?

Untersuchungsausschuss soll Zahlungen an die palästinensische Autonomiebehörde untersuchen

Abgeordnete aus allen Fraktionen des Europäischen Parlaments unterstützen die Initiative, einen Untersuchungsausschuss zu den EU-Zahlungen an Arafats Behörde einzurichten. Gegenwind kommt vor allem aus meiner eigenen Fraktion - der Vereinigten Linken - und auch von den Sozialdemokraten. Obwohl die Europäische Kommission in einer vertraulichen Sitzung bereits die Korruption mit EU-Geldern in der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) eingeräumt hat, glauben meine KollegInnen weiter an die zweckmäßige Verwendung der Gelder und fordern sogar noch mehr Hilfen für die PA.

Wenn es in das Konzept passt, stellt sich die linke EP-Fraktion als antiautoritär dar und hinterfragt berechtigterweise jede Mitteilung der EU-Kommission. Im Fall der mutmaßlichen Verwendung von EU-Geldern für den Terror gegen Israel ist es mehr als umgekehrt. Als die Europäische Kommission alle Vorwürfe pauschal abstritt, verwies die Fraktion stets auf die Aussagen der Kommission, an denen kein einziger Zweifel zulässig sei. Aber selbst nachdem die EU-Kommission am 04.11.2002 auf einen ihr unbekannten inoffiziellen Haushalt der Palästinenser verwiesen hatte, erklärt der Fraktionsvorsitzende der GUE/NGL Francis Wurtz am 15.11.2002, dass er »die auf Initiative der Regierung Scharon geführte Kampagne gegen die von der Europäischen Union für die palästinensische Autonomiebehörde bereitgestellte finanzielle Hilfe entschieden missbilligt«.
Trotz der auf Tonband vorhandenen inoffiziellen Zugeständnisse der Kommission zur Korruption mit EU-Steuergeldern in einer vertraulichen Sitzung glaubt die GUE/NGL weiter an die Korrektheit aller offiziellen Kommissions-Stellungnahmen: »Die Europäische Kommission hat, nachdem sie alle notwendigen Untersuchungen angestellt hat, bereits wiederholt diese Anschuldigungen zurückgewiesen, erklärt der Fraktionsvorsitzende Francis Wurtz. Er fordert sogar: »Die Europäische Union muss die Palästinensische Autonomiebehörde konsequent weiter unterstützen, zumal die israelischen Truppen während der letzten Monate zahlreiche palästinensische Infrastruktureinrichtungen, die von den europäischen Steuerzahlern finanziert wurden, zerstört haben.« Würde man meinen Fraktionskollegen folgen, müsste man zum Beispiel mit EU-Mitteln den palästinensischen Rundfunk wieder aufbauen, in dem Aufforderungen zum Mord an Juden gesendet wurden. Gestritten wurde in der Fraktion um meine Anzeigen in den Magazinen Konkret und Jungle World, in denen ein bewaffneter Hamas-Kämpfer abgebildet war mit dem Kommentar »Sponsored by EU? Gegen EU-Hilfen an antisemitische Terroristen.« Bereits diese, eigentlich relativ selbstverständliche Meinungsäußerung hat für den heftigsten Streit in der Fraktion seit mindestens drei Jahren gesorgt. Da die Anzeige, wie auch diese Denkpause, aufgrund von Regelungen des Parlaments das Logo der Fraktion tragen muss, wurde der weitere Gebrauch von Text und Motiv der Anzeige von der Fraktionsführung untersagt. Selbst mit einem Hinweis, dass die Fraktionsmehrheit eine zum Inhalt dieser Anzeige konträre Position vertritt, darf sie nun nicht mehr geschaltet werden. Es sieht so aus, als ob EU-Gelder zwar für antisemitischen Terror verwendet werden können, nicht aber für Anzeigen dagegen.


EU zahlt Fatah-Zwangsbeitrag

Dank der Unterstützung von Abgeordneten aus allen Fraktionen des Europäischen Parlaments steht bei Redaktionsschluss mein Antrag auf einen Untersuchungsausschuss zum möglichen Missbrauch von EU-Geldern durch die Autonomiebehörde kurz vor der Bewältigung einer wichtigen Hürde – dem Einreichen des Antrags mit mindestens einem Viertel der Unterschriften aller Abgeordneten.
Laut diesem Antrag sollen Vorwürfe untersucht werden, dass die PA durch Budgetmanipulationen Teile der EU-Gelder, die vor allem für die Löhne und Gehälter der Behördenmitarbeiter vorgesehen sind, für andere, zum Beispiel terroristische Zwecke, verwendet habe.
Die israelische Regierung präsentierte Dokumente, nach denen die PA nur 55-65 Prozent der Summe für die vorgesehenen Ausgaben verwendet hat. Mechanismen, diese Tatsache zu verschleiern, beinhalteten z.B. die Erzeugung von undokumentierten Überschüssen durch falsche Wechselkurse und die Bildung einer schwarzen Kasse. Der PA wird auch vorgeworfen, übertriebene Mitarbeiterzahlen mit entsprechend falschen Abrechnungen von Löhnen und Gehältern vorzulegen. Zu diesem Vorwurf nahm die Europäische Kommission noch immer nicht erschöpfend Stellung.
Auf die von der EU bezahlten Gehälter für PA-Mitarbeiter ist eine Zwangsabgabe von 1,5 bis 2 Prozent als »Fatah-Mitgliedsbeitrag« erhoben worden. Die EU-Kommission verwies hier auf ähnliche Regelungen, die angeblich auch in EU-Mitgliedsstaaten bestünden, z.B. die im Saarland und in Bremen vorhandenen Arbeitnehmerkammern sowie skandinavische oder englische Gewerkschaften. Zwar ist es richtig, dass auch hier eine Zwangsmitgliedschaft besteht, im Gegensatz zu den europäischen Organisationen ist die Fatah als Regierungspartei aber wohl kaum in der Lage, eine unabhängige Interessenvertretung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu gewährleisten. Arbeitnehmerkammern und Gewerkschaften verfügen im Regelfall auch nicht über enge Kontakte zu Organisationen, die sich öffentlich zu Selbstmordattentaten als Mittel ihrer Politik bekennen.
Weder zur Aufklärung noch zur Beruhigung trägt die Äußerung von EU-Kommissar Christopher Patten bei, die direkte Budgethilfe für die PA sei nun einmal nicht zweckgebunden und könne darum in ihrer Verwendung nicht kontrolliert werden. Zum einen ist diese Aussage nicht ganz zutreffend: Die direkte Budgethilfe wurde gewährt, um die im Budget vorgesehenen Ausgaben tätigen zu können. Bislang ist jedoch nicht bekannt geworden, dass Terrorakte im offiziellen Haushaltsplan der PA als Einnahmen und Ausgaben aufgeführt sind. Zum zweiten sollte die Feststellung einer Unkontrollierbarkeit auch zu der Frage führen, ob die EU nicht das falsche Mittel gewählt hat, in ihrem vorgeblichen Bestreben, die Verhältnisse in den palästinensischen Gebieten zu verbessern. Die Praxis der Zahlungen an die PA ist für diesen Zweck nicht geeignet. Angesichts des Partners, dem die Finanzhilfen zu Gute kommen, wäre es dringend notwendig, die schärfsten aller denkbaren Kontrollen einzuführen. Lediglich zur Destabilisierung Israels durch Stärkung seines Gegners ist die Haushaltsbeihilfe genau das richtige Mittel.


Weder EU noch IWF kontrollieren

Die Vorgehensweise der EU-Kommission bei der Aufklärung erweckt zusätzliches Misstrauen. Vorwürfe werden erst pauschal abgestritten, wenn ein Leugnen aufgrund bedrückender Beweislast nicht mehr möglich ist, sucht man sich neue Ausreden. So hatte die israelische Armee einen Scheck vorgelegt, auf dem Arafats Behörde Zahlungen an eine Familie von Selbstmordattentätern anwies. Der Scheck war exakt auf jenes Konto ausgestellt, auf das auch die EU-Hilfen gelangen. Die Kommission bezweifelte zunächst die Darstellung der israelischen Armee. Später wurde die Echtheit eingeräumt. Die Ausflucht der EU lautet jetzt, dass auf dem Konto schließlich auch andere Gelder eingehen, es also nicht gesagt ist, dass ausgerechnet die Euros, die von der EU kommen, an die Attentäterfamilien gezahlt wurden. Die Förderung der Attentäterfamilien durch die Autonomiebehörde stößt in der EU kaum auf Widerstand.
Würde die Verwendung der europäischen Hilfen dafür gestoppt, hätte das auch noch einen weiteren Nachteil für alle Gegner Israels.
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Für die ärmlichen Lebensumstände der Mehrheit der Palästinenser könnte nicht weiter Israel verantwortlich gemacht werden, wenn die PA ihre hierfür ausreichenden Mittel zielgerichtet verwenden würde.
Gerne verweist die Kommission auf die Budget-Kontrolle des Internationalen Währungsfonds (IWF), der die Verwendung der EU-Gelder an die PA überprüfen soll. Doch es ist der IWF selbst, der dieses Argument widerlegt: »Der IWF &Mac226;überwacht’ nicht &Mac226;auswärtige Finanzhilfen’ an die Palästinensische Autonomiebehörde. Er liefert der EU lediglich Informationen über allgemeine Entwicklungen, die in Verbindung mit dem Haushalt stehen. Der IWF überwacht nicht und kontrolliert auch nicht jeden einzelnen Haushaltsposten.« schreibt der Direktor der Abteilung für auswärtige Beziehungen des IWF, Thomas C. Dawson, in einem Leserbrief an The Wall Street Journal.
Wegen der Aktivitäten der Europäischen Kommission ist ein Untersuchungsausschuss also dringend notwendig. Für die Ausschussarbeit ist es wichtig, nicht schon bei der Tätigkeit eines Rechnungsprüfers aufzuhören, sondern auch eine politische Aufarbeitung des Verhältnisses zwischen der Europäischen Union und Israel zu leisten. Ob das Europäische Parlament seine im bürgerlichen parlamentarischen System zugewiesene Aufgabe der Kontrolle der Kommission ernst nimmt, bleibt abzuwarten. Im Oktober 2002 hat das Parlament entgegen einem Votum des Haushaltsausschusses die bedingungslose Auszahlung von 15 Millionen Euro an die PA beschlossen.


>> Darf man mit Tories zusammenarbeiten?

Während der Großteil der Vereinigten Europäischen Linken (GUE/NGL), der Sozialdemokraten und Grünen dem Projekt eines Untersuchungsausschusses feindselig gegenübersteht, findet die Untersuchung Freunde bei Leuten, mit denen man sich sonst im Dauerclinch befindet: englische Konservative, italienische Postfaschisten, französische Jagdverteidiger und niederländische bibeltreue Christen. Die Freunde Palästinas, die über die offene Unterstützung der PLO durch die offenen Faschisten lieber schweigen, und sich über die merkwürdigen Koalitionen zwischen Linksradikalen, Stalinisten, alternativen Gutmenschen, salbungsvollen Sozialdemokraten und Stiefel-Nazis mit obskuren Theorien hinwegtrösten, werden nun sagen: Da sieht man's wieder, dies ist kein linkes Projekt!
Ich sehe das ein bisschen anders. Es ist nämlich kein Zufall, dass bis auf ein paar verstreute Liberale und Sozialdemokraten, und ein paar Leute, denen es wirklich nur um Steuergelder geht, die Unterstützer des Projekts in ihren Ländern für ein engeres Bündnis mit den USA stehen. Denn die Unterstützung der PA durch die EU ist vor allem ein Störmanöver gegen die USA und ein wichtiger Bestandteil der alternativen Weltmachtstrategie der EU. Diese PLO-Solidaritätsbewegung besteht darum auch aus einem Haufen nützlicher Idioten des EU-Imperialismus. »Der Hauptfeind«, mahnte Karl Liebknecht 1916, »steht im eigenen Land«. Im Gegensatz zu Leuten, die sich sonst lang und breit auf Lenin, Liebknecht, Luxemburg berufen, knüpfe ich an diese Weisheit an: Der Hauptfeind ist immer das eigene Land. Es ist zwar schlimm, dass diese simple Einsicht bei der europatriotisch gesonnenen Linken auf taube Ohren stößt. Aber ein Grund, dieses Projekt zu beenden, ist es gewiss nicht, eher im Gegenteil. Auch wenn man sich sicher sein kann, dass es dem Großteil der in diesem Fall Verbündeten wohl leider um anderes geht, als einem selbst.


Die ausführliche Darstellung innerfraktioneller Differenzen soll zum einen eine Meinungsbildung über die GUE/NGL ermöglichen, zum anderen ist die Darstellung der gegensätzlichen Position ein Wunsch der Fraktionsführung und insbesondere auch der PDS-Delegation in der Fraktion.

Antrag für den Untersuchungsausschuss in verschiedenen Sprachen als PDF-Datei
http://www.ilka.org/presse/pms/pms54_en.html

Ilka Schröder zu »Naher Osten«
http://www.ilka.org/themen/naherosten

»Arafat bombt, die EU zahlt« http://www.zeit.de/ 2002/24/Politik/ 200224_arafat_haupttext.html

Botschaft des Staates Israel in Deutschland
http://www.israel.de

»Unbeugsame Gutgläubigkeit« http://www.zeit.de/ 2002/34/Politik/print_200234_eu_gelder_palaes.html

»The Involvement of Arafat, PA Senior Officials and Apparatuses in Terrorism against Israel, Corruption and Crime, Report prepared by a team headed by Dani Naveh, Minister of Parliamentary Affairs, Government of Israel« http://www.israel-mfa.gov.il/mfa/go.asp?MFAH0lom0

Auf der Website des American Center for Democracy finden sich eine Vielzahl von Beiträgen, die sich in erster Linie mit der Korruption der PA beschäftigen. Dabei wird zumindest der Kontrast zwischen den hohen Einkünften der PA-Mitglieder und der Armut ihres Fußvolks deutlich, was zumindest die Verantwortung Israels für Mangelernährung und mangelnde medizinische Versorgung ziemlich in Frage stellt. http://public-integrity.org/issues.htm

Netzwerk Frieden und Sicherheit in Israel
www.chaveer.de

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