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Ilka Schröder

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News | Denkpause 12 | 12.05.01

Rechtspopulismus Gewöhnungssache

Nach den italienischen Wahlen am 13. Mai wird möglicherweise ein weiterer EU-Staat rechtspopulistisch regiert werden. Der Medienmilliardär Silvio Berlusconi liegt mit seinem Bündnis »Haus der Freiheit« nach Umfragen vor dem »Olivenbaum« aus Mitte-Links-Parteien. Im Nationalparlament kann er sich auf die Stimmen der postfaschistischen Alleanza Nazionale sowie der Lega Nord verlassen. Die nordischen Regionalisten wenden sich einerseits gegen Süditalien, andererseits auch gegen AusländerInnen. Laut taz v. 25.04.2001 forderte der lokale Chef der Lega Nord von Verona, Flavio Tossi, dass die städtischen Busse separate Eingänge für Italiener und Ausländer bekommen. Keine Autonomiebestrebungen, sondern nationaler Zentralismus ist das Programm der Alleanza Nazionale. Der kleinste gemeinsame Nenner der Rechten in Italien ist die völkische Ausländerfeindlichkeit. Mit einem Wahlsieg würde sie sich in die rechtspopulistischen bis rechtsextremen Wahlerfolge in ganz Europa einreihen (Vlaams Block in Flandern, der Partido Popular in Spanien, FPÖ in Österreich und die dänische Folkeparti). Die Konrad-Adenauer-Stiftung und der CDU-Außenpolitiker Karl Lamers unterstützten das Mitglied der EVP-Fraktion im Europaparlament Silvio Berlusconi in seinem Wahlkampf. Zusätzliche Dramatik hätte ein rechter Wahlsieg durch die hohen Einflußmöglichkeiten Berlusconis auf den staatlichen Rundfunk, der zusammen mit Berlusconis eigenen Sendern fast den gesamten Markt abdeckt.
Die Europäische Union hat nach § 7 des im Dezember verabschiedeten, allerdings noch nicht ratifizierten und damit noch nicht in Kraft getretenen »Vertrag von Nizza« eine Möglichkeit einzugreifen, wenn demokratische Grundwerte in einem Mitgliedsstaat bedroht sind. Der Ministerrat kann auf Vorschlag eines Drittels der Mitgliedstaaten, der Europäischen Komission oder des Parlaments mit 80prozentiger Mehrheit feststellen, daß die »eindeutige Gefahr« besteht und entsprechend »geeignete Empfehlungen« aussprechen. Sollte das Bündnis aus Rechtspopulisten, Regionalisten und Postfaschisten in Italien an der Macht sein, wird es aber angesichts der bereits amtierenden rechtspopulistischen Regierungen schwierig, diese qualifizierte Mehrheit zu erreichen. Doch außer dem liberalen belgischen Außenminister Louis Michel erwärmte sich bis Redaktionsschluß dieser Denkpause noch niemand für Sanktionen gegen Italien.
Auffällig ist die Tatsache, daß der Rechtsextremismus nicht primär in den Ärmsten Gegenden der EU, in Griechenland, Portugal oder Irland vorkommt.

Auch außerhalb dieses Zitates ist der Beitrag »Wir geben nichts« von Dirk Schümer aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung v. 17.03.2001 sehr aufschlußreich.

»Der moralisch unappetitliche Befund lautet: Regionen mit jungem Wohlstand sind besonders anfällig für Xenophobie. Nachdem Flamen, Veneter, Kärntner oder Andalusier soeben grandios bei den Segnungen des Gemeinsamen Marktes abgesahnt haben und selbstverständlich von der Umverteilung profitierten, soll es nun mit der Solidarität ein brutales Ende haben. … Sogar die neuen Bundesländer, die neben beachtlichen Wahlergebnissen für Rechtsradikale vor allem den für Zuwanderer gefährlichsten Prügelpöbel Europas hervorgebracht haben, passen gut ins Bild: Im Gegensatz zu allen anderen Gebieten des früheren Ostblocks, die meist sogar noch viel mehr Zuwanderer und Arme beherbergen und dennoch solche Barbarei nicht erleben, wird die DDR systematisch mit Hilfszahlungen hochgepäppelt. Sie bildet nicht zufällig die privilegierte Speerspitze der
Xenophobie unter den exkommunistischen Ländern.«
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Letztes Gefecht im Weltraum?

Die durch den Ausbau der Euro-Truppe ohnehin gespannten transatlantischen Beziehungen werden jetzt auch noch durch die Konkurrenz im Weltraum belastet. Die EU möchte bei der satellitengestützten Aufklärung ihrer nächsten Kriegsziele unabhängiger werden und baut daher das eigene Navigationssystem Galileo auf. Militärs der EU wollen ab 2008 die Signale hören, die aus 10.000 Kilometern Höhe gesandt werden. Ob sie daraufhin auch zum letzten Gefecht aufbrechen, steht allerdings in den Sternen. US-Militärstrategen bangen um ihre »strategische Informationsüberlegenheit«. Die USA betreiben das Global Positioning System (GPS), mit dem sie 1999 die Cruise Missiles punktgenau in die jugoslawischen Ziele lenkten. Galileo soll parallel auch zivile Aufgaben übernehmen können. Deren geringe Relevanz zeigt aber das Desinteresse der Privatwirtschaft an einer Beteiligung. Ein weiteres engagiertes Projekt für die globale Erdüberwachung ist die SAR-Lupe, die 2003 oder 2004 von der russischen Raumstation Baikonur ins All geschossen werden soll. Der Satellit der EADS-Tochter Astrium GmbH in Friedrichshafen wird von deutschen Bodenstationen gesteuert und soll auf zwei bis drei Meter genau Vorgänge auf der Erde beobachten. Schließlich müssen die Deutschen wissen, wie es dort aussieht, wo sie demnächst ihre Bomben abwerfen wollen.

http://www.esa.int

Buchempfehlung:
Ulrich Cremer/Dieter S. Lutz (Hrsg.): Die Bundeswehr in der neuen Weltordnung. 208 Seiten, DM 26,80. Hamburg, VSA-Verlag 2000.

Hochzeit der Rüstungsindustrie
http://www.friwe.at/jugoslawien/unordnung/mil-eu/eads.htm
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Endlich: Schily für Schleuser

Humanität und Kommerz sind Gegensätze, meinte die Rote Armee Fraktion (RAF). Deren ehemaliger Anwalt, der heutige deutsche Bundesinnenminister Otto Schily, hat sich daran jetzt wieder erinnert.
Er streitet mit seinen EU-KollegInnen darüber, ob Fluchthilfe unter besonderen Bedingungen straffrei bleiben könnte. Denn einige EU-Innenminister wollen humanitäre Schleusungen im Gegensatz zur Reisehilfe gegen Geld nicht unter Strafe stellen. Schily jedoch lehnt jeden Unterschied ab. Man dürfe sich ja auch nicht auf »gemeinnützige Steuerhinterziehung« berufen. Die Latte für Kommerzialität legt er allerdings hoch. Die Süddeutsche Zeitung (16.03.2001) weiß zu berichten: »Andererseits, sagte Schily, habe in der jüngsten Vergangenheit auch niemand in Deutschland die Fluchthelfer verurteilt, die Menschen aus der DDR gen Westen geholt hatten.«
Stimmt. Damals wurden als Honorar 40.000 Westmark gezahlt, die dann auch noch vor westdeutschen Gerichten eingeklagt werden konnten. Diese traumhaften Zeiten sind für die Schleuserbranche vorbei. Wer so viel Geld hat, kann heute auch Informatik studieren und per Green-Card einreisen. Den SchleuserInnen bleiben die weniger kaufkräftigen Kunden, um sie über den Todesstreifen an der EU-Außengrenze zu schmuggeln. Daher sollten FluchthelferInnen, die weniger als 40.000 DM pro Transfer erhalten, sich bei ihrer Festnahme auf Otto Schily berufen. Vergessen werden sollte aber nicht, daß auch niedrigere Fluchthilfehonorare für die Kunden eine hohe Belastung darstellen. Daher ist es weiter notwendig, entweder für eine EU-Förderung der Fluchthelfer oder aber für die arbeitsplatzvernichtende Lösung »Offene Grenzen« zu streiten.

Ilka Schröder zu Festung Europa
https://www.ilka.org/themen/fe.html

deportatiNO (Österreich) - Gegen Schubhaft, Deportationen und Grenzregime
http://www.no-racism.net/deportatiNO/index.htm

Kommerzielle Fluchthilfe- die Reisebüros für Flüchtlinge
http://www.so-36.de/taxista/brosch/taxiprozesse/fluchthilfe.html

Dienstleistung Fluchthilfe
http://www.ffm-berlin.de/deutsch/publik/Fluchthilfeprot.htm

»Festung Europa« in der Offensive - Staatliche Flüchtlingsabwehr
http://www.no-racism.net/deportatiNO/icmpd_01.htm
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Kriminelle Cyber-Kriminalisten

Am Schluss ging dann plötzlich alles ganz schnell. Quasi in einer Nacht-und-Nebel-Aktion hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats am 24. April die so genannte Cybercrime-Konvention verabschiedet. Das Papier als »umstritten« zu bezeichnen, würde schon fast an Schönfärberei grenzen: In seltener Einigkeit hatten Internetbenutzer, Industrie, Datenschützer und Menschenrechtsgruppen das Abkommen, das erst noch in nationales Recht umgesetzt werden muss, abgelehnt.

Um das lange Zeit geheim gehaltene Papier dennoch in der beinahe unveränderten Form des »Draft No. 25b« zu verabschieden, bedurfte es einiger Anstrengungen, die ein bezeichnendes Licht auf den Europarat werfen, der sich immerhin als »Bewahrer der Demokratie« fühlt: Änderungsanträge, etwa diejenigen des sozialdemokratischen Angeordneten Jörg Tauss, verschwanden spurlos und kamen so gar nicht erst zur Abstimmung; die Abgeordneten erfuhren erst kurzfristig, dass die Konvention auf die Tagesordnung gesetzt worden war und konnten sich so nicht vorbereiten. Übersetzungen in die Sprachen der Mitgliedsländer, die vorgeschrieben sind, gab es nicht.

Damit wird den nationalen Parlamenten demnächst ein Papier vorliegen, das Abhör-Behörden und Internet-Spionen ein Eldorado eröffnet (siehe Denkpause Nr. 11). Bald wird dann von der EU-Kommission der Entwurf »Combatting Computer-Related Crime« folgen, der im Europa-Parlament wiederum von Frau Cederschiöld betreut wird und im Juni im Strasbourger Plenum behandelt werden soll. Die Kommission hat bereits angekündigt dass ihr Entwurf den von der Konkurrenz »noch übertreffen« werde.
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Eurofälschungs-Bericht entpuppt sich als Falschgeld

Eine Währung muss sicher sein, das bestreitet kaum jemand: Wenn sie massenhaft gefälscht wird, sind Inflation und Teuerung die Folge, und das wollen wir ja nicht. Also unternehmen die Regierungen so allerhand, um zu verhindern, dass ihr schönes Geld nachgemacht wird. Wie das geht? Wasserzeichen, silberne Fädchen und Hologramme, dachten Sie? Und weil die Gangster das nie hinkriegen, kommt dann ein Bulle, der aussieht wie Lino Ventura, und lässt die Handschellen knacken?
Sie sind ganz schön hinter dem Mond. Hätten Sie einmal in den Bericht »Schutz des Euro vor Fälschungen« geschaut, den die einschlägig berüchtigte schwedische Europaabgeordnete Charlot Cederschiöld (Konservative) betreut, dann wüssten Sie, was State of the Art der heutigen Fälschungsverhütung ist: Man baut um die Währung herum einen solchen Sonderpolizei-Apparat auf, dass man seine Geldscheine auch im Kartoffeldruck auf Klopapier drucken könnte; es würde sich doch kein Mensch trauen, sie zu fälschen.
Ein ganz Europa überspannendes Netz wird da skizziert - teilweise ist es bereits ausgeworfen - in dem Banken, nationale Polizeibehörden, Europol, Europäische Kommission und Europäische Zentralbank ständig Informationen miteinander austauschen und operative Einsätze absprechen sollen. Die zentrale Position in diesem Netz soll eine so genannte Euro-Fälschungsbekämpfungsstelle einnehmen, die es zumindest in Ansätzen ebenfalls bereits gibt. Sie soll im Umfeld von Europol angesiedelt sein, ohne allerdings deren Statut zu unterliegen: Eine wunderbare Dienstelle, an die man alles delegieren kann, was nicht dem Europol-Mandat entspricht.
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