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Überwachung | Denkpause 13 | 01.07.01
Die EDV kennt Sie genau
Biometrische Verfahren ermöglichen Totalüberwachung
Das Wissen über die massenweise Überwachung der menschlichen Kommunikation durch Computer ist inzwischen weit verbreitet. Der geringe Widerstand ermöglicht den nächsten Schritt: Auch der nichtkommunizierende Mensch kann anhand von charakteristischen Körpermerkmalen elektronisch verfolgt werden.
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Wer einen Tag lang in der Londoner City unterwegs ist, wird etwa 400 mal gefilmt. Die 200.000 Londonder Videokameras erfassen jeden Menschen durchschnittlich alle 3 Minuten. Noch nach mehreren Tagen kann festgestellt werden, wer wann in welche Richtung gegangen ist. Neben den Gesichtern der Menschen blicken die Kameras auf Nummernschilder von Autos. Sie werden elektronisch mit einem Register von gestohlenen Wagen abgeglichen, noch Tage später ist nachvollziehbar, wer wann in welche Richtung gefahren ist. Was heute nur mit den Nummernschildern geschieht, wird demnächst auch für die Gesichtserkennung Standard sein.
Erste Tests eines FaceTrac-Systems in den USA verliefen für die BefürworterInnen einer totalen Überwachung positiv. Im Januar wurden die Gesichter von 100.000 uneingeweihten BesucherInnen des »Sunday´s Super Bowl« in Tampa und Ybor City, Florida, von Überwachungskameras aufgezeichnet und in Sekundenschnelle mit einer Datenbank von gesuchten Personen abgeglichen. Bei Übereinstimmungen wurden die umherlaufenden BeamtInnen informiert, um »schnelle und diskrete« Festnahmen zu tätigen.
Die Biometrie ist die Wissenschaft vom Vermessen des Lebens. Sie soll es Computern ermöglichen, Menschen zu unterscheiden. Verschiedene Merkmale können dafür verwendet werden: Fingerabdruck, Iris, Netzhautrückwand (Retina), Gesicht, Stimme, Handgeometrie, Körpergerüche und Gefühle sollen gemessen werden. Sogar eine Software, die auffälliges Verhalten feststellt, wird an den Universitäten Leeds und Reading entwickelt. Für die Zugangskontrolle in besonders geheime Räume werden biometrische Verfahren bereits genutzt. Eine breite Anwendung wird demnächst realisiert. Die deutsche Bundesregierung antwortete auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Angela Marquardt schon im Sommer 1999: »Der Einsatz biometrischer Verfahren an Geldautomaten ist in Vorbereitung«. Für die Kundin hätte das den Vorteil, dass sie sich keine PIN-Nummer mehr für ihre diversen Chipkarten merken muss. Wer vergisst schon Finger, Gesicht oder die Iris? Nachteil ist einerseits der zusätzliche körperliche Schaden, der beim Raub eines Körperteils entstehen kann, andererseits die neuen Überwachungsmöglichkeiten für Staat und Wirtschaft.
Prinzipiell kann man mit der Biometrie jeden Menschen sein ganzes Leben lang verfolgen. Der Nutzung der einmal erhobenen Körpermerkmale sind später keine Grenzen gesetzt. Wegen der Aufstände bei europäischen Gipfeltreffen wird schon über Ausreiseverbote für politisch missliebige Personen diskutiert. Bisher müssen Polizei und Bundesgrenzschutz zu diesem Zweck mühsam die Personalien kontrollieren und Ausweisnummern in ihre Computer tippen. Mit der Biometrie wird die völlige Durchsiebung der Bevölkerung nach gesuchten Personen möglich. An Grenzen und Flughäfen könnten intelligente Kameras eingesetzt werden, die alle Reisenden mit Datenbanken abgleichen. Wer in den Datenbanken als gesucht markiert wird, ist Sache der Regierung. Während die rot-grüne Bundesregierung jetzt vielleicht »nur« diejenigen eingeben wird, die für ein solidarisches und friedliches Europa demonstriert haben, kann die nächste Regierung die Datensätze von Schwulen oder AktionärInnen einspeisen.
Wie bei jeder Überwachungsaktivität ist dabei klar, dass sich Regierungen nicht an Gesetze halten. Der Angriffskrieg gegen Jugoslawien hat gezeigt, dass auch relativ demokratisch gewählte deutsche Regierungen vor schwerster Staatskriminalität nicht zurückschrecken. Ein schlimmeres Verbrechen als das Führen eines Angriffskrieges ist im bundesdeutschen Rechtssystem nicht vorgesehen, daher dürften auch eklatante Verletzungen von Persönlichkeitsrechten zu keiner rechtsstaatlich wünschenswerten Verfolgung führen. Die Artikel 7 (Achtung des Privat- und Familienlebens) und 8 (Schutz personenbezogener Daten) der EU-Grundrechtscharta stehen der Rasterfahndung durch biometrische Kontrolle ebenso im Wege wie die im Grundgesetz garantierten Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat.
Die verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten von Überwachungssystemen zeigten sich schon 1989 beim Massaker auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens. Die fliehenden DemonstrantInenn wurden durch Aufnahmen einer als Verkehrslenkungssystem importierten Technik identifiziert. Damals dürften noch Menschen vor den Monitoren gesessen haben, in Zukunft ermöglich der Computer die Suche in kürzester Zeit. Die lebenden PolizistInnen können sich dann ganz auf die Bestrafung der identifizierten Personen konzentrieren - oder auf die Entwicklung von Computern, die ihnen auch noch diese Arbeit abnehmen.
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Zum Weiterlesen:
Face-Finder Software
www.viisage.com
Militärische und »zivile« Überwachungstechnologie
www.raytheon.com
Biometrische Erkennung
www.graphcotech.com
BioID AG
Cicerostrasse 21, 10709 Berlin
www.bioid.de
Institut für angewandte Biometrie
www.biometrie-info.de/
Face Recognition Homepage
www.cs.rug.nl/users/peterkr/FACE/face.html
Robert Frischholz Homepage
http://home.t-online.de/home/Robert.Frischholz/
Biometrics und Eye-Tracking
http://home.t-online.de/home/Ulrich.Dieckmann/
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