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Infotech | Denkpause 16 | 10.12.01

Überwachungsterror

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Noch hat die Enfopol-Arbeitsgruppe des Brüsseler EU-Rates (siehe Denkpause 13) ihr Schlussdokument nicht vorgelegt. Dennoch will der Rat schon einmal die gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen, damit Polizeien und Geheimdienste demnächst die Details sämtlicher Telefongespräche und Internet-Kommunikationen bequem aus riesigen Datenbanken abrufen können, noch Jahre nachdem die Kommunikation statt gefunden hat. Dass ihre überwachungsstaatlichen Allmachtsträume mit fast allen geltenden Datenschutzbestimmungen kollidieren, muss auch den Schlapphut-Strategen aufgefallen sein.
Doch kein Problem für die Regierenden: Da ändern sie eben einfach die Bestimmungen zum Schutz der BürgerInnen. Und damit es die Regierten nicht merken, werden die Änderungen in aller Heimlichkeit vorbereitet. So erfuhr die Öffentlichkeit nur durch eine Indiskretion von dem Entwurf des Rates für eine neue Richtlinie zum Datenschutz in der elektronischen Kommunikation: »Zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit - d.h. der Staatssicherheit, der Verteidigungsfähigkeit, zur Prävention, Untersuchung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder widerrechtlichem Gebrauch elektronischer Kommunikationsmittel«, so heißt es in dem Entwurf für die neue Vorschrift, sei es den EU-Mitgliedsstaaten »unter anderem gestattet, die Speicherung von Daten für einen begrenzten Zeitraum anzuordnen, wenn dies aus den oben genannten Gründen geboten scheint und in Übereinstimmung mit den übergeordneten Prinzipien des Gemeinschaftsrechts geschieht.«
Der schönen Worte entkleidet heißt dies: Die Staaten können anordnen, dass Kommunikationsdaten gespeichert werden - praktisch ohne jede Beschränkung. Der Datenschutz-Bericht, über den das Europäische Parlament am 13. November abgestimmt hat - genau eine Woche, bevor die Arbeitsgruppe Telekom des Rates ihr Papier verfasste - sagt ziemlich genau das Gegenteil: Dass die Eingriffe »angemessen, verhältnismäßig, zeitlich begrenzt und notwendig« sein müssten, dass sie »ganz und gar die Ausnahme darstellen, sich auf eine allgemein verständliche spezifische Rechtsvorschrift stützen und von gerichtlichen oder anderen zuständigen Behörden von Fall zu Fall genehmigt sein« müssten, und dass insbesondere »jede Form einer groß angelegten allgemeinen oder sondierenden elektronischen Überwachung verboten« sei. Die Enfopol-Planungen, sämtliche Gesprächsdaten und -inhalte jahrelang zu speichern wären demnach illegal.
Schon im Mai wollte ich in einer dringenden schriftlichen Anfrage an den Rat wissen, wie er zu den - bis jetzt noch - illegalen Planungen der Enfopol-Gruppe steht. Anfragen dieser Art müssen nach drei Wochen beantwortet sein. Darauf gab es bisher keine Reaktion. Jetzt ist klar, warum der Rat ein halbes Jahr lang geschwiegen hat.
Auf einer Anhörung der Europäischen Kommission rührten dann am 27. November die Vertreter der Polizeien noch einmal kräftig die Trommel für eine allgemeine Datenspeicherung. In einigen EU-Ländern können sie sich die Mühe mittlerweile sparen: Frankreich praktiziert bereits eine einjährige Speicherung, Großbritannien will demnächst eine entsprechendes Gesetz verabschieden, und auch in Deutschland gibt es bereits entsprechende Überlegungen. Der Vertreter des deutschen Justizministeriums bezeichnete während dieser Anhörung eine Speicherung für mindestens sechs Monate als notwendig.
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