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Ilka Schröder

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Editorial | Denkpause 4 | 22.02.00

LiebeR LeserIn,


in Österreich ist die rechte FPÖ mit in der Regierung. Das ist schlimm, und alle Kritik daran ist berechtigt. In den Diskussionen in Brüssel hatte ich aber auch den Eindruck, daß die Regierungsbildung für einige ganz günstig ist: Sie haben einen gemeinsamen, noch rechteren Feind, der das eigene Vorgehen dann schon wieder als konservativ und bürgerlich erscheinen läßt. In Österreich ist nicht nur die FPÖ für die rechte Politik zuständig. In Wien werden die Wohnungen der Gemeinde grundsätzlich nicht an AusländerInnen vermietet, der SPÖ-Bürgermeister befürwortete das. In Deutschland muß man sich inzwischen vom Sozialdemokraten Otto Schily die Forderung nach einer erneuten Änderung des »Asylrechts« anhören und Oskar Lafontaine beschreibt in seinem Buch stolz, wie er sich um die Änderung von 1993 verdient gemacht hat. In vielen Gegenden Deutschlands trauen sich undeutsch aussehende Menschen nicht auf die Straße. Die dänische Regierung verschärft ihre Abschiebepolitik. Würde ein FPÖ-Minister heute eine solche Äußerung machen, wie wir sie von der bürgerlichen, konservativen und rot-grünen Mitte Europas gewohnt sind, er müßte vielleicht zurücktreten. Würde ein abgeschobener Mensch im Flugzeug an einer »Beruhigungsspritze« des Grenzschutzes sterben, würde eine österreichische Koalition vielleicht platzen. Auch in der Globalisierungsdiskussion treten immer wieder rechtsnationale Kräfte auf, die die Nationalstaaten für ihr »Volk« bewahren wollen. Nicht alle, die gegen die WTO oder gegen den Neoliberalismus kämpfen, sind fortschrittliche Kräfte. In einigen Gruppen des deutschen »Nationalen Widerstand« wurde in den vergangenen Tagen diskutiert, ob man sich an den Aktionen gegen die EXPO2000 beteiligen soll. Wir sollten das für unseren emanzipatorischen Kampf berücksichtigen und müssen in Zukunft verstärkt antinationalistische Aspekte miteinbeziehen. Unser Protest darf nicht nationalkompatibel sein.

Den Ehrenvorsitz in der CDU hat Helmut Kohl abgegeben. Ehrenbürger des Landes Berlin und der Europäischen Union - davon gibt es nur noch einen anderen, Jean Monnet - ist Kohl bisher noch. Aus meiner Fraktion heraus ist die Initiative ergriffen worden, ihm die Ehrenbürgerschaft abzuerkennen. Ich werde dagegen stimmen, wie das auch der Landesverband meiner Partei in Bezug auf die Berliner Ehrenbürgerschaft empfohlen hat. Helmut Kohl hat in der antikapitalistischen Bildungsarbeit große Verdienste erworben. Wer sonst hätte so glaubhaft zeigen können, daß die Wirtschaft in Deutschland politische Entscheidungen einkauft. Auch die Bedeutung des Bundestages wurde durch sein Ehrenwort noch einmal vedeutlicht. Ein Ehrenwort gegenüber Wirtschaftsbossen gilt mehr, als ein mehrfach ausgesprochener Amtseid auf die sogenannte freiheitlich-demokratische Grundordnung. Helmut Kohl hat - trotz des harten Gegenwindes der »Bundeszentrale für politische Bildung« - die wahre Funktionsweise der parlamentarischen Demokratie im kapitalistischen System vedeutlicht. Er hat Millionen Menschen von einer falschen Illusion befreit. Dafür hat er die Ehrenbürgerschaft Europas verdient.
Ilka Schröder


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