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Ilka Schröder

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BioTech | Denkpause 4 | 22.02.00

Intellektuelle Eigentumsrechte der WTO

Patente auf Leben?

Die WTO will den Handel weltweit liberalisieren - allerdings nur in den Bereichen, in denen es für die Industriemultis gut ist. In der Frage der intellektuellen Eigentumsrechte nimmt sie eine andere Position ein. Das Wissen um genetische Informationen soll dem Besitzrecht der Industrie vorbehalten bleiben, obwohl traditionelles Wissen und biologische Ressourcen zum Großteil aus den »Entwicklungsländern« kommen.

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Der Vertrag über die »Trade Related Intellectual Property Rights« (TRIPs) ist einer der drei Hauptverträge der Welthandelsorganisation (WTO) und regelt die handelsbezogene intellektuelle Eigentumsrechte. Der Vertrag entstand 1995 mit Gründung der WTO und nimmt an Wichtigkeit zu, da der Handel mit nicht-materiellen Gütern gegenüber dem mit herkömmlichen Ressourcen zunimmt. Ursprünglich als Schutz gegen Produktpiraterie und Fälschungen gefordert, stand am Ende ein Abkommen, das alle handelsrechtlichen Aspekte des Immaterialgüterrechtes (intellektuelles Eigentum) betrifft. Dabei verwendeten die Industrienationen, insbesondere die USA, den Begriff in der denkbar weitesten Auslegung: Ihrer Meinung nach gab und gibt es in diesem Zusammenhang kaum eine Frage, die nicht handelsbezogen ist.

Auf Druck der Industrieländer wurden mit TRIPs zwei wesentliche Neuerungen im Patentrecht eingeführt: Zusätzlich zu der bisherigen Patentierbarkeit von Verfahrenstechniken zur Herstellung von Produkten wurde nun auch der Schutz der eigentlichen Erzeugnisse in Form von Sachpatenten zugelassen. Das ermöglichte den Stoffschutz für Lebensmittel und Medikamente - besonders wichtig natürlich für westliche Pharma-, Agribusiness- und Chemiekonzerne. Seitdem versuchen Entwicklungsländer eine Ausnahmeregelung für bestimmte Arzneien durchzusetzen - und scheitern regelmäßig am Nein der Industrieländer. Die zweite wesentliche Neuerung gab dem Inhaber eines Verfahrenspatentes das Recht, auch die unmittelbar durch das Verfahren hergestellten Erzeugnisse als sein intellektuelles Eigentum schützen zu lassen. Außerdem ist er berechtigt, sowohl Verbote von Parallelimporten als auch Importverbote von Produkten, die das Patent verletzen, zu veranlassen. Mit einem Sachpatent sind dessen Inhaber von vornherein alle Herstellungs- und Benutzungsmöglichkeiten des Produktes vorbehalten. Patente können auch die zur Herstellung des Erzeugnisses benötigten oder im Produkt enthaltenen genetischen Informationen umfassen. Die generelle Mindestdauer des Patentschutzes beträgt 20 Jahre.

Das Wissen und die Ressourcen dieser Welt inklusive genetischer Informationen sollen so zu jahrelangem exklusivem Besitzrecht der Industrie avancieren können. Die Verlierer sind - wie so oft - die Entwicklungsländer und die »indigenous peoples« weltweit:

Deren traditionelles Wissen und biologische Ressourcen enden als Patente westlicher Konzerne. Vor allem traditionelle Medizin und Landwirtschaft sowie genetische Ressourcen allgemein sind davon betroffen.

Ein Beispiel: 90 Prozent der biologischen Ressourcen kommen aus den Ländern des Südens, aber 97 Prozent aller Saatgut-Patente liegen bei Unternehmen aus den Industriestaaten.

Da die Revision des hierfür besonders relevanten TRIPs-Artikels 27.3(b) in Seattle dank der gar nicht erst zustande gekommenen Handelsrunde nicht diskutiert werden konnte, darf mensch auf die nächste Sitzung des TRIPs-Rats Ende März gespannt sein. Wichtige Punkte sind unter anderem die erneute Frage nach der Patentierbarkeit von Lebensformen sowie eine Abgleichung der TRIPs-Bestimmungen zum Schutz von intellektuellen Eigentumsrechten mit den entsprechenden Artikeln der Konvention zum Schutz der Biologischen Vielfalt (Artenschutzzabkommen). Im Mittelpunkt stehen dabei die Interessen der Biotechnologie-Industrie.

Artikel 27.3(b) regelt die Patentierbarkeit von Leben und biologischen Reproduktionsprozessen. Noch ist es Staaten erlaubt, Planzen und Tiere (allerdings keine Mikro-Organismen) von der Patentierbarkeit auszuschließen. Dies wird möglicherweise geändert.

Die USA haben bereits informell verlauten lassen, daß die Debatte über Patente auf Leben für sie noch nicht vorbei sei. Dagegen sollten nach Ansicht der afrikanischen Staatengruppe Pflanzen, Tiere und auch Mikro-Organismen überhaupt von der Patentierbarkeit ausgeschlossen werden. Eine der Gretchenfragen dieser Diskussion wird lauten: Sollen erfundene, d.h. von Menschen (gen-)technisch hergestellte Lebensformen patentierbar sein? Eine erfundene Lebensform kann dabei durchaus mit der natürlichen (Pflanze, Tier oder gar Mensch) identisch sein - sie muß nur einen gentechnischen Eingriff nachweisen. Die EU bezieht sich in diesem Punkt auf die im letzten Jahr von der Biotechnologie-Industrie durchgedrückte »Patentierungsrichtlinie« zum rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen. Zur Gretchenfrage heißt es hier: Mit der Natur identisches gentechnisch hergestelltes oder gentechnisch isoliertes biologisches Material ist patentierbar. Dasselbe gilt für Gruppen gentechnisch veränderter Pflanzen und Tiere. Sollten wir Herrn Orwell also doch wieder aus der Bücherkiste holen?

Nicht auf der Tagesordnung stehen bisher die Monopolisierungstendenzen des TRIPs-Abkommens. Entgegen der unbegrenzten Liberalisierung des Welthandels, dem sich die WTO im Rahmen des GATT-Systems verschrieben hat, zielt TRIPs auf den Schutz von Immaterialgütern durch rechtliche Monopolisierung. Das führt unweigerlich zu einem Interessenskonflikt. Heißt es nicht, die Liberalisierung der Weltwirtschaft sei das einzige Mittel zur Armutsbekämpfung? Weil es den Multis dient, wird dieses (falsche) Prinzip an der falschen Stelle außer Kraft gesetzt.

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Zum Weiterlesen:

Wie funktioniert »Biopiraterie«?

Die überwältigende Mehrheit der Kenntnisse über die Nutzung der Artenvielfalt ist Teil des traditionellen Wissens der »indigenous people« von Nord bis Süd und Ost bis West. Kartoffeln, Mais und Reis aus den traditionellen lokalen Züchtungen sind zum Beispiel von höchstem Interesse für die Biotechnologie-Industrie. Besitzen sie doch in der Regel Eigenschaften wie Resistenz gegen extreme Temperaturen, Trockenheit oder Krankheiten. Geringfügige genetische Manipulationen genügen bereits, um eine Kommerzialisierung per Patent möglich zu machen.

Im medizinischen Bereich suchen von der Biotechnologie-Industrie entsandte »Bio-Prospektoren« nach traditionellen Heilmitteln, die Wirkstoffe der lokalen Flora und Fauna verwenden. Mit diesem Wissen und den entsprechenden Genproben ausgestattet, können sie ihren Auftraggebern wieder einmal eine neue pharmazeutische Goldgrube aushändigen. Für die kommerzielle Herstellung des Produktes kann flugs ein Patent zum Schutz des »intellektuellen Eigentums« des Pharma-Konzerns erworben werden.

  • Der Begriff »indigenous peoples« wird im Original verwendet, da jeder Übersetzungsversuch (z.B. »Völker«) den Ausdruck verkürzen würde. Der deutsche (nicht der englische) Begriff stützt sich auf das nationalistische Konzept »Volk«, das nicht in ein emanzipatorisches Vokabular paßt.

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