Datenschutz | Denkpause 5 | 27.03.00
Auch Ihre e-Mails sind betroffen Datenstaubsauger »Echelon«Die Überwachung der Privatsphäre ist nicht nur eine neue Fernsehsendung, sondern auch eine alte Realität in Europa. Seit langem betreiben die Regierungen der USA und Großbritanniens mit »Echelon« einen riesigen Datenstaubsauger, der e-Mails nach bestimmten Inhalten durchsucht. [Ilka Schröder fordert | Was können Sie gegen e-Mail-Überwachung tun? | Weitere Informationen] Die zunehmende Nutzung der elektronischen Post erleichtert den SchnüfflerInnen die Arbeit. Gegenüber Faxen und Telefongesprächen ist es viel einfacher, eMails auf die in den »Echelon«-Wörterbüchern enthaltenen Zusammenhänge zu prüfen. Eine neue Qualität flächendeckender Überwachungsmöglichkeiten ergibt sich daraus, daß »Echelon« jeden Tag vermutlich zwei Milliarden eMails filtern kann. »Echelon« muß sich nicht auf verdächtige Personen konzentrieren, sondern kann einfach alle unverschlüsselten Mails durchsuchen. Egal von wem an wen sie gehen. Der englische Journalist Duncan Campbell hatte vor einiger Zeit vom wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments den Auftrag erhalten, einen Bericht über die technischen Möglichkeiten und den Gebrauch von Überwachungstechnologien zu verfassen. Bereits seit Mitte 1999 lag der Bericht dem Parlament vor. Als Reaktion auf eine Anhörung des Innen- und des Rechtsausschusses wird sich Ende März das gesamte Parlament mit diesen Praktiken beschäftigen. Die grüne Fraktion hat erste Schritte eingeleitet, um einen Untersuchungsausschuß zur Aufklärung über »Echelon« und die Machenschaften seiner Betreiberregierungen einzurichten. Viele Indizien sprechen laut Duncan Campbell dafür, daß die »Echelon«-Betreiberstaaten erlangte Informationen routinemäßig an die bei ihnen ansässigen Unternehmen weitergeben, damit diese Wettbewerbsvorteile erlangen. Schon früher war spekuliert worden, daß der ICE trotz üppig geflossener Bestechungsgelder heute deswegen nicht durch Südkorea fährt, weil Mitbewerberstaaten besser spioniert und den Siemens-Angebotspreis unterboten hatten. Dabei muß festgehalten werden, daß es offensichtlich auch in Deutschland eine enge Zusammenarbeit zwischen Geheimdienst und Industrie gibt. In seinem Buch »Wirtschaften ohne Korruption?« schreibt Werner Rügemer: »Beim Wettbewerb um den Auftrag für den Hochgeschwindigkeitszug zwischen Seoul und Pusan haben GEC Alsthom und die Siemens AG im Jahre 1992 verdeckte Zahlungen an Präsident Roh bzw. seinen Nachfolger Kim in Höhe von 60 bzw. 50 Millionen Dollar geleistet. Für GEC Alsthom war eine koreanische Vermittlerin mit Sitz in Paris tätig, während die Gelder von Siemens über eine Tarnfirma des Bundesnachrichtendienstes (BND) auf deutscher Seite und den Daewoo-Konzern auf koreanischer Seite gelaufen sein sollen.« (Frankfurt 1996, S. 154) Nach Presseberichten über meine Aktivitäten gegen »Echelon« meldeten sich vor allem Beauftragte von deutschen Wirtschaftskonzernen in meinen Büros - erst am zweithäufigsten Privatpersonen und als Schlußlicht wenige politisch Aktive. Während die Wirtschaft jetzt vorsorgt, gehen PrivatverbraucherInnen und PolitikerInnen immer noch zögerlich mit Verschlüsselungstechnologien um. Wie einfach man in das Visier der Spione gerät, zeigt ein Bericht der »Sunday Times« (27.02.00) über das Abhören von Telefongesprächen der inzwischen verstorbenen Prinzessin Diana. Die Prinzessin war weder in einer terroristischen, noch in einer staatsfeindlichen Organisation engagiert, sondern ist im Zuge der Überwachung humanitärer Hilfsorganisationen belauscht worden. Angesichts dieses Maßstabes kann sich jeder Mensch, der irgendwie politisch aktiv ist, ausrechnen, daß er auf den Radarschirmen der Geheimdienste erscheint. In der Diskussion um »Echelon« werden bisher kaum Parallelen zu den Überwachungsplänen der EU gezogen. Wenige Tage, bevor das Europaparlament über Konsequenzen aus dem »Echelon«-Skandal beraten will, werden sich die Innen- und JustizministerInnen der EU treffen, um eine grenzüberschreitende Überwachung zu legalisieren. Das Onlinemagazin »Telepolis« veröffentlichte im Jahr 1998 geheime Dokumente aus einer Polizeiarbeitsgruppe mit dem Namen »Enfopol«. Was aufgrund von Protesten unter dieser Bezeichnung nicht mehr durchsetzbar ist, bekommt einfach einen anderen Namen (»Gegen Kinderpornos im Internet«, »Rechtshilfeabkommen«,...). Der von den Innen- und JustizministerInnen geplante »Rechtsakt über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union« ist generell abzulehnen. Besonders problematisch ist der Artikel 18. Hier soll jedem EU-Mitgliedsstaat erlaubt werden, Personen zu überwachen, die sich in einem anderen Mitgliedsstaat befinden. Das Parlament - das in dieser Sache nur angehört wird, nicht aber entscheiden darf - hat bereits vorgeschlagen, den Artikel 18 zu streichen. Die Innen- und JustizministerInnen können über diese parlamentarische Meinungsäußerung hinwegsehen, sie stehen aber vor einem anderen Problem: Im Gegensatz zu anderen EU-Staaten gibt es in Großbritannien keine klare formelle Trennung zwischen Geheimdienst und Strafverfolgungsbehörden. Auch die Geheimdienste dürfen dort strafrechtliche Ermittlungen anstellen. Das Rechtshilfeabkommen würde nun bedeuten, daß auch geheimdienstliche Informationen Großbritanniens an andere Mitgliedsstaaten weitergegeben werden müßten. Ein Kompromiß ist allerdings in Sicht: Im Abkommen sollen »präventive« Abhörmaßnahmen grundsätzlich als Geheimdienst-Angelegenheiten begriffen werden, »repressive« dagegen als Sache der Strafverfolgungsbehörden. Das EU-Rechtshilfeabkommen legalisiert damit die Tätigkeiten, die »Echelon« schon lange ausübt. Wer sich über »Echelon« aufregt, darf zum Rechtshilfeabkommen nicht schweigen. Gleichzeitig sollte sich niemand der Illusion hingeben, daß ohne Rechtshilfeabkommen nicht gelauscht würde. Geheimdienste machen alles. Ihr Motto lautet: »Legal, illegal, scheißegal - Fakten, Fakten, Fakten und an die Wirtschaft denken«. Geheimdienste würden nicht so heißen, wenn sie demokratisch kontrollierbar wären. Der »Verfassungsschutz« schützt nicht vor Neoliberalen, die formell demokratische Mechanismen aushebeln wollen, sondern überwacht diejenigen, die sich gegen solche Tendenzen wie das Mai wenden. [Echelon] Ilka Schröder fordert:
Zum Weiterlesen:Berichte im Auftrag des wissenschaftlichen Dienstes über Echelon: Was können Sie gegen e-Mail-Überwachung tun?Benutzen Sie PGP! Auch wenn gute Geheimdienste mit großem Aufwand Ihre eMails entschlüsseln können, ist PGP immer noch sicherer als jede andere Art der Kommunikation. Auch wenn Sie glauben, jedermann solle ihre Kommunikation verfolgen dürfen, seien sie solidarisch mit jenen, die es nötig haben. Wenige verschlüsselte Mails können die Geheimdienste eher entschlüsseln als viele. |
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