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Ilka Schröder

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News | Denkpause 5 | 27.03.00

WTO-Geheimverhandlungen
Grenzen zu!

Fischer will Europa aufrüsten
Führungstreue gefordert
Bahn: EXPO-Zwang für KundInnen

WTO-Geheimverhandlungen

Geduld ist eine Tugend über die Pascal Lamy, der Außenhandelskommissar der EU, offenbar nicht verfügt. Während viele Staaten und ihre HandelsdiplomatInnen noch nach Erklärungen suchen, warum die WTO-Ministerkonferenz vom November 1999 scheiterte, wirbt Lamy bereits eifrig für eine neue Verhandlungsrunde - so als sei nichts geschehen. Die von der Europäischen Union anvisierten Ziele, vorrangig die Marktliberalisierung, sind die gleichen geblieben. Um nun auch die »Partnerländer«, die seit Seattle WTO-skeptisch sind, von der Notwendigkeit eines zweiten Anlaufs zu einer »Millenniumsrunde« zu überzeugen, betreibt Kommissar Lamy zur Zeit eine intensive Reisediplomatie. Im Namen der EU verspricht er, informelle WTO-Treffen künftig auch den VertreterInnen des Südens zu öffnen und den Entwicklungsländern verstärkt technische Hilfe und Schulungen zukommen zu lassen. Diese sollen es ihnen ermöglichen, WTO-Verhandlungsprozesse besser nachvollziehen und mitentscheiden zu können. Mit solchen Zuckerln sollen auch die HandelsministerInnen von Ländern, die sich in letzter Zeit globalisierungsskeptisch geäußert haben, wieder an den Verhandlungstisch gelockt werden.
Auch WTO-Generalsekretär Mike Moore bemüht sich gegenwärtig um eine »Vertrauensbildung« zwischen den Staaten des Nordens und des Südens. Er meint, daß die meisten Entwicklungsländer nicht grundsätzlich gegen eine weitere Stärkung des Freihandels seien, sondern schlichtweg die von den Industrieländern eingebrachten Themen nicht richtig verstehen würden. Doch trotz all seiner »vertrauensbildenden Maßnahmen« geht Moore - anders als Kommissar Lamy - nicht davon aus, daß noch in diesem Jahr eine neue Welthandelsrunde zustande kommen könnte.
Im stillen Genf, dem Hauptsitz der WTO, sind unterdessen Verhandlungen im kleineren Kreis und ohne Öffentlichkeit über handelspolitische Aspekte von Landwirtschaft und Dienstleistungen angelaufen. Die WTO ist allenfalls scheintot.
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Grenzen zu!

Der deutsche Innenminister Otto Schily will humanitäre Maßnahmen von BeamtInnen des BGS stärker verfolgen. Zwei Grenzschützerinnen hatten laut einem Bericht des »Spiegel« (31.01.00) 200 DM für den ungehinderten Einlaß von Flüchtlingen angenommen - und damit das gleiche gemacht, wofür an der Grenze BRD-DDR einst als Helden gefeiert wurden.
Für die Zukunft will Schily die Flüchtlingsabwehr nach Osten verlegen. Ungarns Abschottungspolitik lobt er mit den Worten: »Ich habe den Eindruck gewonnen, daß sich Ungarn den Erfordernissen einer EU-Mitgliedschaft bewußt ist und sehr konsequent an die Probleme herangeht«. Damit Europa auch nach einer Osterweiterung eine Festung bleibt, gibt Deutschland bis 2002 zur Sicherung der Grenze an Ungarn technische Ausstattungs- und Ausbildungshilfen im Wert von zwei Millionen DM. Der Grenznachbar Polen hat seit 1992 für den gleichen Zweck 13,9 Millionen DM erhalten. Die Rhetorik von »Ausländerflut« und »Das Boot ist voll« setzt Schily mit der Warnung an Polen fort, daß es nach dem EU-Beitritt eine »stark immigrationsbelastete Außengrenze« sichern müsse. Nach Zählungen der deutschen Bundesregierung sind zwischen 1997 und Oktober 1999 an den deutschen Außengrenzen 42 Personen bei Einreiseversuchen gestorben. An anderen EU-Außengrenzen (vor allem im Meer vor Spanien und Italien) umgekommene Menschen, sowie jene, deren Leichen in der Oder/Neiße unauffindbar untergegangen sind, tauchen natürlich auch in den Statistiken nicht wieder auf. Otto Schily ist Innenminister der rot-grünen Bundesregierung von Deutschland.

Unter http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm kann man Drucksachen des Deutschen Bundestages abrufen. Bei Eingabe der 14/1850 gibt es als Antwort auf eine Anfrage von Ulla Jelpke detaillierte Angaben zu den staatlich erfaßten Toten an deutschen Grenzen.
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Fischer will Europa aufrüsten

»Morgen endet die Ära der Zivilmacht EU« titelte die »Financial Times Deutschland« (29.02.00). Obwohl in den meisten EU-Staaten SozialdemokratInnen regieren, und trotz des Wegfalls der Blockkonfrontation, wird eine neue Aufrüstung in Europa in Gang gesetzt. Nachdem der deutsche Außenminister Joseph Fischer mit den Nato-Bomben auf SerbInnen ganz zufrieden war (Frage des US-Magazins »Newsweek« 19. April 1999: »How do you think the war is going?« Antwort Fischer »I think NATO is doing a good job.«) fordert er inzwischen sogar eine Aufrüstung Europas. Im »Spiegel« vom 6. März 2000 antwortete er auf die Frage nach dem Aufbau einer eigenen EU-Armee gegen den Willen der USA: »Nicht Amerika ist zu stark, sondern Europa ist zu schwach.« Damit verschafft er den Forderungen des deutschen Verteidigungsministers Rudolf Scharping nach einem höheren Wehretat kräftigen Rückenwind. Joseph Fischer ist grüner Außenminister der rot-grünen Bundesregierung von Deutschland.

Das zitierte Fischer-Interview ist eine interessante Lektüre, u.a. wg. eines Hitler-Milosevic-Vergleichs
http://newsweek.com/nw-srv/issue/16_99a/printed/int/us/in0716_1.htm

Ulrich Cremer:
Militärische
Emanzipationsversuche der EU.
www.basisgruen.de/bund/aussen/00-01-31--cremer.htm

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Führungstreue gefordert

Bei den deutschen Grünen ist es inzwischen üblich, den Delegierten bereits vor der Anreise zum Parteitag Wünsche bezüglich ihres Stimmverhaltens mitzuteilen. Auch ich wandte mich in einem Brief (www.ilka.org/presse/pms3.html) an die Delegierten.

Während die Nachrichtenagenturen ohne Rückfrage erkannten, daß es sich um eine satirische Überspitzung des Briefes des rechten Flügels an die Delegierten handelte, kamen von den EmpfängerInnen heftige, ernstgemeinte Reaktionen: »Liebe Ilka, Nein so nicht!!! Dein Brief erwähnt 19x zu viel das Wort Führung! (...) Zum Abnicken von Führungsentscheidungen neige ich nicht (...) Der Brief macht künftige BDK´s oder LDK´s überflüssig, es reicht demnach, in gewissen Zeitabständen die Führung zu wählen!... Nein, Ilka so nicht!!!!« faxt der Vorstand des Kreisverbandes Vechta der Grünen. Der Sprecher des Kreisverbandes Schaumburg schickt eine kurze eMail, in der er sich vor allem mit der Länge (drei Seiten) des Briefes auseinandersetzt: »Warum muß ich diese ellenlange Scheiße lesen und wie (vor allem) soll ich sie an Mitglieder weiterleiten, ohne aus der Haut zu fahren und ohne sie gleich vorzubewerten? Zu lang, zu doof, zu schrecklich...«.

Häufig bekomme ich - auch auf andere Äußerungen - das Feedback, daß ich mich nicht mehr so basisnah und radikal äußern dürfe, weil ich Abgeordnete sei. Diesmal schreibt Karl-Friedrich Kassel: »Als säße sie noch immer an ihrem alternativen Stammtisch und würde über die da oben und die da unten räsonieren, als ob sie nicht selbst zu denen da oben gehörte. Das ist eine völlig überzeugende Mimikrie.«
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Bahn: EXPO-Zwang für KundInnen

Zur Eröffnung der EXPO 2000 am 1. Juni 2000 werden heftige antikapitalistische Proteste erwartet. Das Interesse an den Karten ist dagegen nach wie vor gering. Die Weltpartner der EXPO sind verpflichtet, große Mengen von Tickets abzunehmen. Weltpartner Deutsche Bahn AG treibt KundInnen jetzt nach vergeblichen Werbekampagnen mit einer härteren Gangart zum Kauf einer solchen Karte. Das »Schöne-Wochenende-Ticket« der Bahn gilt während der Weltausstellung nicht. JedeR, die/der ohne eine EXPO-Eintrittskarte nach Hannover kommen will, muß für eine Bahnfahrt von Berlin aus sogar mehr als den Normalpreis bezahlen. Der Tagesspiegel (18.3.2000) berichtet, daß für eine Fahrt nach Hannover auf den Normalpreis ein Zuschlag von 12 DM erhoben werden soll. Wer dagegen bei der Bahn eine EXPO-Karte kauft, fährt billiger. Bahnsprecher Martin Katz sagte, die Bahn wolle die Zuschläge als »Steuerungsinstrument« einsetzen. Diese Art der Steuerung geht nahtlos in die EXPO-Ideologie über, nach der jedes Problem der Welt durch bessere Technik und eine horizontale und vertikale Ausdehnung des Kapitalismus gelöst werden kann. Ob Menschen damit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden, ist den EXPO-Sponsoren egal. Für militante EXPO-GegnerInnen hat die Tarifpolitik der Bahn allerdings einen Vorteil: Wenn Hakenkrallen die Züge nach Hannover stoppen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß echte EXPO-Fans aufgehalten werden. Andere können sich die Bahnfahrt nicht mehr leisten. Ob überhaupt noch Züge losfahren, steht aber in Frage. Die Eisenbahnergewerkschaft hat bereits mit Streiks während der EXPO gedroht, da die MitarbeiterInnen Gehaltskürzungen bekommen sollen. Kurios: Auch die Gewerkschaften geben Millionen für ihre EXPO-Darstellung aus und betreiben gleichzeitig Stellenkürzungen. Auch bei Weltpartner Post AG werden parallel zur EXPO Rationalisierungen vorgenommen. Man diskutiert eine Portoerhöhung ab Sommer 2000.
Der Boykott gegen kleinere EXPO-Partner scheint langsam zu wirken. So sind Institutionen, die sich an der EXPO beteiligen, für linke Gruppen verpönte Kooperationspartner. In Berliner Bioläden werden immer öfter Waren verlangt, die nicht vom EXPO-Projekt »Märkisches Landbrot« gebacken wurden.

Anti-EXPO-Links
www.anti-expo-ag.de

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