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Menschenrechte | Denkpause 6 | 17.04.00
Der nächste Krieg ist immer der schönste
Weltmacht schaffen mit EU-Waffen
Europa verfügt über zwei Millionen SoldatInnen, konnte im Kosovo aber nicht einmal 40.000 davon aufbieten. Dieses Glück im Unglück wollen die EU-Militärs jetzt beseitigen. GASP und WEU sollen aus dem Schlafzimmer der europäischen Institutionenfamilie in das Chefbüro umziehen. Ihre Umzugspedition sind die rot-grünen Regierungen Europas.
[Ilka Schröder fordert | Weitere Informationen]
Der erste Jahrestag des NATO-Angriffs auf Jugoslawien in Deutschland:
KommentartorInnen, die vor einem Jahr die gesellschaftliche Stimmung für den ersten siegreichen Krieg Deutschlands seit über 150 Jahren schufen, werden nachdenklich.
KriegspolitikerInnen aller Parteien schwadronieren über ihre eigene Blödheit, der Kriegspropaganda von Fischer und Scharping geglaubt zu haben. Angesichts des durch die NATO erst angeheizten Kosovo-Konflikts kommt ihnen plötzlich die Idee, daß Militär eigentlich gar keine Konflikte lösen kann.
In Den Haag werden die Tribunale gegen Slobodan Milosevic, Gerhard Schröder, Joseph Fischer und Rudolf Scharping vorbereitet, auch die zustimmenden Bundestagsabgeordneten werden zur Verantwortung gezogen. Über die Frage, wie man die Delegierten des Bielefelder Grünen-Parteitags, die für die Bomben auf Jugoslawien stimmten, bestrafen will, wird noch diskutiert. PsychologInnen gehen davon aus, daß eine Resozialisierung der Friedens-FighterInnen in den zivilen Rechtsstaat massiv Probleme bereiten dürfte. FinanzpolitikerInnen fordern, die Mindeststrafen auf die Vorbereitung und Billigung deutscher Angriffskriege wegen der hohen Kosten für Haftplätze auf unter zehn Jahre zu senken. Die »Tageszeitung« wirbt vorsorglich für 500 neue Knast-Abos und Justizvollzugsköche besorgen schon mal Müsli-Rezepte.
So konsequent, wie es der letzte Absatz vermuten läßt, ist der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat aber dann doch nicht. Außer AntimilitaristInnen, wie zum Beispiel der Farbbeutelwerferin Samira F. oder dem Politkprofessor Wolf-Dieter Narr, müssen sich keine BRD-StaatsbürgerInnen mit der Justiz rumschlagen.
Die Außen- und VerteidigungsministerInnen der Europäischen Union hätten dazu auch gar keine Zeit: Die nächsten Kriege müssen vorbereitet werden.
Um auch bei amerikanischer Kriegsmüdigkeit losschlagen zu können, verhandeln sie derzeit über eine »europäische Verteidigungsidentität«. Dabei geht es natürlich - analog zum sogenannten »Bundesverteidigungsministerium« - nicht um das, was ZivilistInnen unter »Verteidigung« verstehen.
Der amerikanische Außenminister William Cohen kritisierte die europäischen NATO-Verbündeten wegen ihrer wenig effektiven Zerstörungskraft: »Die Verteidigungsausgaben der europäischen NATO-Staaten betragen 60 Prozent der unseren, aber sie bekommen dafür nur zehn Prozent unserer Leistungsfähigkeit«.
Gleichzeitig aber erschreckt die AmerikanerInnen das forsche Vorgehen beim Aufbau der EU-Truppen. So wurden die EuropäerInnen darauf hingewiesen, daß sie nur dann Krieg führen sollen, wenn die NATO als ganzes einbezogen wird, aber selbst nicht die Bomber steigen lassen will.
Bis zum Jahr 2003 will Europa eine Armee von 60.000 SoldatInnen zusammengestellt haben. Innerhalb von 60 Tagen soll die schnelle Truppe einsatzfähig sein und bis zu einem Jahr lang kämpfen können. Weil EU-Soldaten auch mal Urlaub machen sollen, braucht man incl. Ablösung ca. 200.000 Menschen. Sie sollen »in Europa und um Europa herum« eingreifen. Die Truppen sollten »auch verfügbar sein, um weltweit auf Krisen antworten zu können, wenngleich auch in geringerem Umfang.« So zumindest lauten die Vorstellungen, die in einem federführend von Großbritannien verfaßten Positionspapier für ein Ende Februar 2000 stattfindendes Treffen der EU-Verteidigungsminister festgeschrieben werden. Nach einem Bericht der »Financial Times Deutschland« vom 28.02.2000 werden in dem Papier auch Terroristen als Stabilitätsrisiko für Europa eingeschätzt.
Demnach winken neue Aufgaben: Seit langem ist es ein Wunschtraum rechter KriegspolitikerInnen, SoldatInnen auch in innerstaatlichen Auseinandersetzungen (Castor-Transport etc.) als Prügeltruppen einzusetzen.
Der Zeitplan für den Aufbau der EU-Armee ist eng. Noch unter französischer Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2000 sollen alle Vereinbarungen getroffen sein. Am 22. Mai wollen die Außen- und Verteidigungsminister genauere Verhandlungen über die nötigen Streitkräfte führen. Eine weitere informelle Konferenz der Verteidigungsminister und zwei Konferenzen der Außen- und Verteidigungsminister sollen eine »Force Generation Conference« im Dezember 2000 vorbereiten. Auf dieser »Geberkonferenz« sollen die Beiträge der beteiligten Staaten auf den Tisch gelegt und damit die neue Truppe zusammengestellt werden.
In der BRD sind die »veränderten sicherheitspolitischen Erfordernisse« der EU-Militärpolitik ein gutes Argument für die Beibehaltung der hohen Militärausgaben. Den Mechanismus kennt man von der Globalisierung: Zuerst werden weltweit alle Kapitalschranken abgeschafft, um dann die Standortkonkurrenz als einen Sachzwang zu postulieren, der jeder Art unsoziale Politik legitimieren soll.
Bundeskriegsminister Rudolf Scharping nimmt die vor allem von Deutschland und Frankreich gewollte EU-Armee zum Anlaß, eine Erhöhung des deutschen Kriegshaushaltes zu fordern.
Der Widerstand gegen die Militärpolitik der Europäischen Union hält sich innerhalb und außerhalb der Parlamente in Grenzen:
In der wissenschaftlichen Friedens- und Konfliktforschung streitet man sich lieber über die Verteilung von einigen Millionen DM, die die Bundesregierung über eine Stiftung in die Friedensforschung fließen lassen will. Kritische Töne gegenüber GeldgeberInnen sind da offenbar nicht mehr angebracht. Wie auch schon während des Kosovo-Krieges kommt auf den Straßen und Plätzen keine richtige antimilitaristische Stimmung auf. Und in der Grünen-Fraktion im Europaparlament wird an der Kriegspolitik vor allem bemängelt, daß sie zu langsam und undemokratisch verläuft, da das Parlament zu wenig beteiligt werde.
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[Militär] Ilka Schröder fordert:
- Auflösung der Militärblöcke, vor allem der NATO
(Zitat aus dem geltenden Bundesprogramm der westdeutschen Grünen).
- Nichtmilitärische Krisenprävention z.B. in der West-Sahara durchführen - mit den Milliarden, die heute für das Militär ausgegeben werden.
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Zum Weiterlesen
Einzelne Mitglieder (aber keine VertreterInnen von Außenseitermeinungen) der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament zur EU-Militärpolitik:
»The tail must not wag the dog. We want a European defence as a result of properly organised democratic decision-making process in foreign policy and not the other way round.«
»The defence ministers made ambitious plans to come true in 2005 or 2010 - but have no solutions for the burning problems of the year 2000.« »The recent steps of Council towards a Common Defence and Security Policy contravene massively the principle of democratic control of military deployment. The Greens/EFA call for giving Parliament full decision competences in Foreign and Security Policy.«
Quelle: www.europarl.eu.int/greens/press/2000/0301_en.htm
Geschichte der WEU (aus Sicht der Herrschenden)
ue.eu.int/pesc/pres.asp?lang=de#SCRL6
ami (antimilitaristische Zeitschrift)
userpage.fu-berlin.de/~ami/
Ulrich Cremer: Militärische Emanzipationsversuche der EU
www.basisgruen.de/bund/aussen/00-01-31--cremer.htm
Hintergrundbericht von Elisabeth Schroedter MdEP
www.elisabeth-schroedter.de/sicherheit.html
GASP-Seite der Europäischen Union
europa.eu.int/pol/cfsp/index_de.htm
Farbbeutel-Seite
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