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Ilka Schröder

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News | Denkpause 6 | 17.04.00

Cybercops auf der Lauer

Das Internet stellt sich für immer mehr EU-AkteurInnen als Gruselkabinett dar. Die europäischen StrafverfolgerInnen wollen zukünftig im Netz nach GesetzesbrecherInnen suchen. In einem Dokument (Nr. 5724/00 ENFOPOL 6, v. 4.2.2000) der portugiesischen Ratspräsidentschaft wird das Internet für »Terrorismus, Sekten, Neonazismus, Cyberterrorismus, Rassismus« mitverantwortlich gemacht. »Die Leichtigkeit und Schnelligkeit im Aufbau von Kontakten ermöglicht desweiteren die Internationalisierung solcher Phänomene und ermöglicht zugleich größeren Zusammenhalt und bessere Rekrutierungsmöglichkeiten für ihre Anliegen«.

In einem Bericht des Innen- und Rechtsausschusses zum Thema Kinderpornographie heißt es: »Die Möglichkeit des Sendens von anonymer e-Mail macht Strafverfolgung praktisch unmöglich.« Er fordert daher, Provider zu zwingen, die Identität jedes e-Mail-Absenders zu prüfen.

Leider verstehen aber die wenigsten Abgeordneten etwas von »Neuen Medien«. Hätten die VerfasserInnen selbst schon einmal einen elektronischen Brief abgeschickt, müßte ihnen eigentlich einfallen, daß alle Briefkästen innerhalb der Europäischen Union abgebaut werden sollten. Es ist nämlich möglich, in Briefkästen anonyme Post einzuwerfen oder einen falschen Absender anzugeben. Zur Bekämpfung der Kinderpornographie müßten alle EU-BürgerInnen beim Absenden von Briefen in Postfilialen ihre Identität überprüfen lassen. Nicht zuletzt wegen des hohen Empörungsfaktors von Kinderpornographie wird der Bericht bei Erscheinen dieser »Denkpause« vermutlich mit Parlamentsmehrheit bestätigt sein.
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Fluchthelfer subventionieren

Die »Festung Europa« wird immer sicherer. Jetzt betreibt die europäische Polizeibehörde »Europol« ihre eigene Osterweiterung nach Polen - vor allem zur Bekämpfung des »illegalen« Grenzübertritts.
Das Geld, das für die Polen-Europol-Kooperation ausgegeben wird, wäre für humanitäre Maßnahmen besser angelegt: Statt sichere Computerverbindungen zu verlegen, sollte die Schleuser-Branche an der EU-Ostgrenze subventioniert werden. Für viele ist die Nutzung der Fluchthelfer- Dienstleistungen die einzige Möglichkeit, nach Europa zu kommen. Da die meisten FluchthelferInnen ihren Beruf auch aus Erwerbsgründen betreiben, sind die Gebühren für Flüchtlinge heute oftmals zu hoch.
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Geheimdienst untersuchen?

Das Europäische Parlament wird am 3. oder 4. Mai über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu den Machenschaften des Spionagenetzwerkes »Echelon« (siehe Denkpause Nr. 6) abstimmen. Die großen Fraktionen der SozialdemokratInnen und Konservativen können sich nicht recht damit anfreunden - und bemühen sich um einen Kompromiss. Der lautet »Nicht-ständiger Ausschuß ohne klaren Untersuchungsauftrag«. Allerdings könnte sich bei einem auftragsfreien Ausschuß dann die Möglichkeit ergeben, auch nationale Abhörmaßnahmen der EU-Mitgliedsstaaten zu untersuchen. Im Wesen eines Geheimdienstes liegt es, daß er von gewählten VolksvertreterInnen eigentlich gar nicht kontrollierbar ist.
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Afrika wiederentdeckt

Zum Gipfeltreffen EU-Afrika am 3. und 4. April 2000 in Kairo, dem ersten seiner Art, reisten die europäischen Regierungschefs mit vagen und teilweise völlig unpassenden Vorstellungen. Sie wollten mit ihren afrikanischen »Partnern« ganz unverbindlich über Demokratie und »verantwortungsvolle Staatsführung« sprechen. Auch um Kriege und eine mögliche europäische Beteiligung daran sollte es gehen. Die meisten afrikanischen GipfelteilnehmerInnen dagegen wollten vor allem über gerechtere Handelsbedingungen, über einen besseren Zugang zum abgeschotteten EU-Agrarmarkt und einen umfassenden und bedingungslosen Schuldenerlaß verhandeln. Angesichts der Haltung der EU erwarteten einige jedoch schon vor dem Gipfel nicht viel von der hochrangigen Begegnung. Dem algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika ging es bei dem Gipfel darum, die EuropäerInnen daran zu hindern, noch mehr Produkte nach Afrika zu verkaufen.

Einige VertreterInnen des afrikanischen Kontinents zeigten sich gegenüber der EU sehr kritisch: Der nigerianische Staatschef Olesegun Obasanjo meinte: »Wir bitten nicht um Spenden. Wir wollen Entschuldung. Wir wollen gerechtere Handelsbedingungen.« Muammar el Gaddafi aus Libyen lehnte die europäischen Pläne, bei Krisen in Afrika künftig verstärkt auch militärisch einzugreifen, als »kolonialistisch« ab. Einige europäische Regierungschefs kündigten schließlich - um zumindest ein positives Signal zu geben - einen Schuldenerlaß für die am höchsten verschuldeten Länder an. Insgesamt mußten sie jedoch feststellen, daß die afrikanischen Staaten mit ein paar Krümeln vom EU-Kuchen und guten Ratschlägen über »verantwortungsvolle Regierungsführung« nicht zufrieden sind. Zurecht.

In einer kämpferischen Rede auf dem EU-Afrika-Gipfel in Kairo übte der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi heftige Kritik am kapitalistischen System, das auch in Afrika Fuß gefaßt habe: »Alles, was der Kapitalismus gebracht hat, ist, Eier und Honig zu Haarschampoo zu machen und elektronische Hunde und Katzen zu bauen.«
Seine Thesen kamen offenbar gut an. EU-Kommissionspräsident Prodi erklärte: »Wir standen Schlange, um den Oberst zu treffen«.

Afrikanische Pressemeldungen und Kommentare im Internet: www.africanews.org

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Globalisierung und Widerstand

Der Titel des aktuellen Hefts des »Widerspruch« verspricht weniger eine technische Anleitung zu Aktionen gegen die weltweite Handelsliberalisierung, als die nötigen ideologischen Grundlagen. Während die Shell-Studie den Rassismus unter Jugendlichen eher verniedlicht, liefert Christoph Butterwege im »Widerspruch« eine genauere Analyse und nennt Mitverantwortliche: Für ihn entstand in den neunziger Jahren ein Nährboden für den Standortnationalismus, der für die GlobalisierungsverliererInnen Europas den modernisierten Rechtspopulismus und Rechtsextremismus attraktiv macht. Joachim Bischoff beschreibt die Auswirkungen der deregulierten Finanzmärkte auf den Umbau der Gesellschaftsordnung, François Chesnais diskutiert den möglichen Beitrag einer Tobin-Steuer als Gegenstrategie und bietet damit einen ähnlichen Problemaufriß wie der Beitrag in der letzten »Denkpause«.

»Widerspruch« Heft 38: Globalisieung und Widerstand, 228 S., 21 Fr/DM, gibt´s linken Buchhandel oder bei Widerspruch, Postfach, 8026 Zürich, Schweiz, vertrieb@widerspruch.ch
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