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Ilka Schröder

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Jungle World 4 - 14. Januar 2004
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Gemeinsam irren

In der europäischen Linkspartei wollen sich Patrioten organisieren, die in den USA und Israel ihre Hauptfeinde sehen. von ilka schröder

Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne haben europäische Organisationsplattformen, deren politische Bedeutung dem eines in Wolfenbüttel umfallenden Reissacks nahe kommt, nur die PDS nicht. Letztes Wochenende wurde dieses Manko behoben. Die nun entstehende Partei der Europäischen Linken muss sich überlegen, ob Gabi Zimmer ein passendes Äquivalent etwa zu dem einstigen Vorsitzenden der Europäischen Sozialdemokraten, Rudolf Scharping, sein könnte.

In diesem Bündnis stellt die deutsche PDS – wie schon in der Fraktion der Linken im Europäischen Parlament – den rechten Rand dar. Das hat mit ihrer Tradition als ehemalige Staatspartei zu tun, während andere linke Parteien in Europa wenigstens aus antifaschistischen Widerstandsbewegungen hervorgegangen sind. Darum ist ihr Politikstil zwar erfrischender als der ihrer deutschen KollegInnen. Inhaltlich ist von ihnen dennoch kaum Besseres zu erwarten.

Ein linkes Projekt muss die Kritik am Sozialabbau mit einer Kritik am Zwangssystem Sozialstaat verbinden und darf nie vergessen, dass der Sozialstaat nur die kapitalistische Verwaltung von Arbeit und Armut darstellt. Von Kampagnen gegen Zwangsarbeit ist gar nicht zu träumen – statt dessen spricht sich die PDS »gegen Sozialkürzungen ohne soziale Gerechtigkeit« aus und führt solche in Berlin auch selber durch.

Von einem linken Bündnis dürfte man außerdem zumindest eine Staatskritik und einen Imperialismusbegriff erwarten, die auch den eigenen Staat bzw. das Staatenbündnis EU nicht verschonen. Kritisiert werden von den Protagonisten der Europäischen Linkspartei aber vor allem zwei Staaten, nämlich die USA und Israel.

Eine Abgeordnete der an der europäischen Parteigründung teilnehmenden italienischen Rifondazione Communista führt den Widerstand gegen Israel im Europäischen Parlament an und sieht einen Apartheidstaat nicht etwa in ausländerfreien Zonen mitten in Deutschland oder im Norden Italiens, sondern immer wieder in dem kleinen Staat am Mittelmeer.

Bezeichnend ist auch, dass viele PDS-Mitglieder zum anti-antisemitischen Schutzwall Israels ein deutlich kritischeres Verhältnis haben als zum antifaschistischen Pendant rund um die DDR. Für den Europaabgeordneten der PDS, André Brie, der immerhin noch weiß, dass der Antisemitismus zu bekämpfen ist, ist die Variante im Nahen Osten »kein Sicherheitszaun, sondern eine Okkupationsmauer«.

Der Aufbau von Grenzanlagen der EU wird dabei noch eher akzeptiert. Anstatt Forderungen nach offenen Grenzen zu erheben, reihen sich die EU-Abgeordneten ein in den Chor derer, die das moralinsaure Lied gegen die Menschenschleuser anstimmen. Dabei macht die Euro-Linke jedoch keine Vorschläge, wie man die EU-Grenzen denn anders überwinden kann als mit Fluchthelfern. Dass an den immer stärker abgeschotteten EU-Außengrenzen Selbstmordattentäter auf ihren Einsatz warten, wie an den Sperranlagen Israels, ist bisher allerdings selbst von der PDS noch nicht behauptet worden.

In der EU dagegen kann militärisch hochgerüstet werden, um noch die völkischsten außenpolitischen Konzepte weltweit durchzusetzen. Für alle teilnehmenden Parteien ist Europa der gute Gegenpol zu den bösen USA. Im Gleichschritt mit der europäischen Friedensbewegung macht sich das Bündnis um die jeweilige nationale Sache verdient. Wie begeisterte Euro-Patrioten ebnen die PDS, die Französische Kommunistische Partei (PCF), die griechische Synaspismos und die spanische Izquierda Unida (IU) dem EU-Imperialismus auf der Linken den Weg. Minimalstandards für linke Kritik werden an keiner Stelle erfüllt.

Zugegebenermaßen schlägt das Herz der Unterzeichner des Aufrufs dabei ganz wie das der Basis, egal ob sie sich auf dem PDS-Parteitag, einer Friedensdemo am Brandenburger Tor oder einem Europäischen Sozialforum versammelt. Ebenso wie man bei diesen Veranstaltungen in Frage stellen muss, ob sie links sind, muss dies auch bei der Partei der Europäischen Linken getan werden. Im allgemeinen Volksempfinden, dem Attac, die PDS und der Antiamerikanismus als links gelten, wird auch diese Partei als links durchgehen. Sie ist es – als Summe aller wesentlichen linken Fehler.

Ilka Schröder ist Mitglied des Europäischen Parlaments in der »Konföderalen Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken/Nordische Grüne Linke«

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