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Datum: 15.6.1999
Autoren: THOMAS KRÖTER UND Tissy BRUNS
Quelle: Der Tagesspiegel
Schröders magere Konsequenzen
Am Tag danach: Der Kanzler bleibt vage, und die Grünen demonstrieren Eintracht
VON THOMAS KRÖTER UND Tissy BRUNS. BONN
Konsequenzen hat der Bundeskanzler und SPD-Parteivorsitzende am Abend angekündigt. Vor der Präsidiumssitzung am Montag sitzt Gerhard Schröder mit grimmigem Gesicht im Sitzungssaal und liest Wahlanalysen. Zwei Stunden später bringt er für die Journalisten gute Miene zum bösen Spiel und wenig Konsequenzen mit. Er kündigt ein Fünf-Punkte-Programm für den 30. Juni an. Weil es im wesentlichen das Haushalts-Sparprogramm von Bundesfinanzminister Eichel ist, bleibt der Regierungschef im einzelnen so vage und geheimnisvoll, wie Eichel es seit Wochen ist. Immerhin verspricht Schröder für das Paket aus Unternehmenssteuer, Familienlastenausgleich, Öko-Steuer, Sparen: »Eine gute Mischung aus Angebots- und Nachfragepolitik.«
Einmütig, sagt Schröder, sei man der Meinung gewesen, daß wir eine kräftige Wahlniederlage auszuwerten hatten«. Er räumt gelasssen ein, daß der Wahlausgang neben der niedrigen Wahlbeteiligung »etwas zu tun hat mit der Politik, für die Bundesregierung, auch der Bundeskanzler und Parteivorsitzende persönlich verantwortlich sind«. Und fügt hinzu: »Die Leute erwarten innenpolitisch von der Regierung, was sie außenpolitisch bewiesen hat.« Schröder bestätigt, daß über das »berühmte Papier« diskutiert worden ist. Das Schröder-Blair-Papier verdiene eine »intensive Debatte, die wir internationalisieren wollen«. Rudolf Scharping, hebt Schröder hervor, habe aufgefordert, den Wahlaufruf der europäischen Sozialisten damit zu vergleichen: Man werde große Übereinstimmung finden. Die Ministerpräsidenten Beck, Klimmt und Clement, die sich zu Wort gemeldet haben, seien alle der Auffassung, »daß an Positionen wie aus dem Papier fortgearbeitet wird.«
Im Präsidium wollte an diesem Tag nichts explodieren, noch nicht. Im übrigen weist Schröder die Begehrlichkeiten auf EU-Kommisionsposten zurück, die in der Union aus dem Wahlergebnis abgeleitet werden. Michaele Schreyer sei »außerordentlich qualifiziert«. Ohnehin gelte auch für die rot-grüne Koalitionsvereinbarung die Weisheit von Franz-Josef Strauß: Pacta sunt servanda.
Solche Botschaft von der Vertragstreue des größeren Koalitionspartners hören die Bündnisgrünen nur zu gern. Allein, zum Glauben fehlt ihnen, erfahrungsbedingt, das letzte Quentchen Vertrauen. Vorsichtshalber haben sie daher eine Begründung gebastelt, warum ihre Kandidatin trotz heimischer Wahlniederlage die rechte ist. In vier Ländern regierten Umweltparteien mit, im Europaparlament seien sie international gestärkt aus der Wahl hervorgegangen. Das wiege die nationalen Verluste mehr als aus, argumentieren Parteisprecherin Gunda Röstel und Euro-Spitzenkandidatin Heide Rühle am Montag. Den Einwand, die CDU habe doch mächtig gewonnen, quittieren sie mit dem Gegeneinwand, der europaweite Gewinn der Konservativen müsse nicht unbedingt mit einem konservativen Kommissar aus Deutschland belohnt werden.
Ansonsten ziehen sie einträchtig die Konsolodierungs-These durch. Nach Koalitionschaos und Krieg seien fast sieben Prozent noch Gold. Intern schrillen jedoch die Alarmglocken. Denn von den 1,7 Millionen Wählern, die den Grünen gegenüber der letzten Europawahl abhanden gekommen sind, drifteten 1,2 Millionen ins Lager der Nichtwähler ab. Nun darf gestritten werden, ob ihnen die Regierungspartei zu wenig realo- oder zu wenig fundimäßig daherkommt.
Beim Bemühen um neue Geschlossenheit gibt es gleich eine Panne. »Links von der Mitte« sieht Parteisprecherin Antje Radcke am Morgen den Platz der Grünen. Wenig später will Gunda Röstel davon nichts hören. Modern müsse man sein, sagt sie in offener Abgrenzung zur Sprecherkollegin. Aber was sind solche Scharmützel gegen die Behauptung, der »Einsatz von Buttersäure und Farbbeutel durch die außerparlamentarischen Bodentruppen« beim Bielefelder Parteitag werde eher als »humanitäre Intervention« in die Geschichte eingehen, als die »Aktivitäten der rot-grünen Tornados über Jugoslawien«. Das hat, Richtung Joschka Fischer, Ilka Schröder ins Internet gestellt. Die Berliner Studentin ist am Sonntag für die Grünen ins Europaparlament gewählt worden.
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