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Ilka Schröder

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Datum: 29.6.1999
Autor: Hans-Jörg Heims
Quelle: Süddeutsche Zeitung

Kommunikation mit dem ganzen Land - statt mit dem Milieu

Ein Papier der Realo-Grünen sorgt für neue Turbulenzen in der Partei Kommunikation mit dem ganzen Land - statt mit dem Milieu Autoren der neuen Grundsatzerklärung mokieren sich über die »linke Folkoregruppe« in ihren Reihen

Von Hans-Jörg Heims

Bonn, 28. Juni -Ilka Schröder ist mit 21 Jahren die jüngste deutsche Abgeordnete im Europaparlament. Noch ist sie Mitglied der Grünen. Nach Ansicht jener 40 Funktionsträger, die mit ihrem Papier am Wochenende die Partei in Aufruhr versetzten, sollte sich die junge Frau jedoch überlegen, ob sie nicht besser in einer »linken Folkloregruppe« aufgehoben wäre. Nach dem turbulenten Kosovo-Parteitag in Bielefeld hatte Ilka Schröder auf ihrer Homepage im Internet Sympathie für die Störer bekundet. »Der Farbbeutel traf keinen Zivilisten«, kommentierte die frischgewählte Europa-Abgeordnete den Anschlag auf Bundesaußenminister Joschka Fischer. Andere grüne Basisgruppen torpedierten den Kurs ihrer Partei im Kosovo-Krieg mit dem Aufruf, bei der Europawahl nicht für die Grünen zu votieren. Ein Appell, der nicht auf große Resonanz stieß - zum Glück für Ilka Schröder, die sonst vielleicht nicht ihr Mandat für Straßburg bekommen hätte. »Was verbindet diese Leute noch mit unserer Partei«, fragten sich daraufhin jüngere Funktionsträger, die vor allem aus Fischers Landesverband Hessen kommen. Dort war den Grünen im Februar bei der Landtagswahl ein Drittel der Wähler davongelaufen. Der Unmut über die Querschüsse aus den eigenen Reihen und die Sorge um die Zukunft der Partei kulminierten deshalb in der jetzt bekanntgewordenen Abrechnung mit der Gründergeneration. »Wir wollten provozieren und einen Denkanstoß für die bevorstehende Grundsatzdebatte geben«, erklären die Autoren. Die Grünen müßten die Frage beantworten, was es bedeute, nicht mehr mit einem Milieu zu kommunizieren, sondern mit dem ganzen Land, sagt der Bundestagsabgeordnete Matthias Berninger.
Der Weckruf ist offenbar gelungen. So sehr sich Parteisprecherin Antje Radcke auch bemühte, vor einem Richtungsstreit zu warnen, das Papier erhitzte die Gemüter. In den grünen Abgeordnetenbüros klingelten am Montag die Telephone heiß. Zustimmung und Empörung hielten sich nach Auskunft von Mitarbeitern die Waage. Für die Fraktionssitzung an diesem Dienstag prophezeit Christian Simmert eine »kontroverse Debatte«. Der Abgeordnete, Jahrgang 1972, zählt zum linken Parteiflügel und äußerte sich in der Vergangenheit mehrfach kritisch zur grünen Regierungspolitik.
Simmert weist das Papier der Realos strikt zurück. »Es wird darin nicht die Frage beantwortet, in welche Richtung die Grünen gehen sollen.« Nur ein paar Allgemeinplätze hätten die Verfasser aneinandergereiht. »Das ist der falsche Weg.« Den Vorwurf, nichts Inhaltliches formuliert zu haben, weisen die Initiatoren wiederum zurück. Sie verweisen auf ihr vor zwei Jahren verfaßtes Papier »Staa/rt 21«. »Was wir damals verlangt haben, hat sich als richtig erwiesen« sagt Berninger. Er verweist auf solche Forderungen, wie den Abbau von Schulden und nach einer neuen Renten- und Bildungspolitik.
Simmert bestreitet nicht, daß die Grünen Defizite haben. Nur seien diese nicht dadurch zu beseitigen, indem zum Angriff auf die FDP geblasen werde. Völlig inakzeptabel sei zudem, wenn Teilen der Partei nahegelegt werde, in eine linke Folkloregruppe zu gehen, nur weil sie anderer Meinung seien. Der Streit wird weitergehen. Für die nächsten Tage hat Simmert ein Gegenpapier der jungen Linken in Aussicht gestellt.
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