|
|
Startseite>Presse>
Datum: 21.02.2000
Autoren: GEORG MECK / SASKIA VAN LAERE
Quelle: Focus
Uncle Sam liest mit
Eine brisante EU-Studie belegt: Die USA spähen systematisch weltweit E-Mails aus
Die Internet-Generation im Europa-Dparlament trägt Jeans und Stoppelhaar. Für Ilka Schröder, Deutschlands jüngste Abgeordnete, ist das World Wide Web tägliches Geschäft. Im Cyberspace hält die 22-jährige Grüne Kontakt zu ihrer WG in Berlin, hier kämpft sie aber auch gegen ein globales Spionagesystemn - »Echelon«.
Dahinter verbirgt sich ein Netzwerk des US-Geheimdienstes mit mindestens 120 Abhörstationen, das weltweit Telefongespräche, Faxe und seit einiger Zeit verstärkt E-Maiis kontrolliert. Eine neue EU-Studie, der so genannte STOA-Bericht, enthüllt, wie die US-Späher auch europäische Telefonierer und E-Mailer überwachen. Praktisch jede normal verschickte E-Mail, warnt der Pariser Professor und STOA-Autor Franck Leprevost, werde ohne Probleme auf den Bildschirmen der heimlichen Mitleser sichtbar. »Die Software-Giganten Microsoft, Netscape und Lotus statten ihre Software für den Export schon so aus, dass sie dem US-Geheimdienst Zugriff auf die E-Mails ermöglichen.«
Die amerikanischen Cyber-Spione filtern täglich Millionen von Mails mit Hilfe spezieller Software nach bestimmten Reizworten wie etwa »Sprengstoff« oder »Botschaft«, »Saddam« oder »Gaddafi«, um kriminellen Aktivitäten auf die Spur zu kommen. Die Trefferquote dürfte sich wohl in Grenzen halten, stattdessen erfahren die Mitleser ganz andere Geheimnisse: 80 Prozent der deutschen Unternehmen wickeln ihre betriebsinterne Kommunikation vorwiegend über die digitalen Depeschen ab. Zehn Millionen Deutsche tauschen sich auch privat im Netz aus. Die wenigsten denken daran, dass Dritte mitlesen, die Nachricht verändern oder irgendwelchen Quatsch unter ihrem Namen versenden können. Als sich Bill Clinton vorige Woche einem Interview im Internet stellte, gab sich prompt ein Witzbold als US-Präsident aus und forderte in dessen Namen »mehr Pornos im Web«. Damit wurde ausgerechnet der Mann zum Opfer von Computerhackern, der sie zu Tausenden dafür bezahlt, die Freunde in Europa auszuspionieren.
»Der Schaden beträgt mindestens 40 Milliarden Mark pro Jahr«, sagt Wissenschaftler Leprevost. Gerade der dynamischste Teil der Wirtschaft, etwa Firmen am Neuen Markt, würde ausgeforscht. »Wissen ist deren größtes Kapital, das muss geschützt werden.« Belgiens Regierung hat vorige Woche als erste offiziell gegen »Echelon« protestiert. Die EU-Grünen erwägen laut Ilka Schröder die Einsetzung eines Utersuchungsausschusses. Das Parlament in Brüssel hat in dieser Woche dazu eine Anhörung angesetzt.
GEORG MECK / SASKIA VAN LAERE
top
|
|