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Datum: 19.06.2000
Autor: Georg Meck
Quelle: Focus
Brüsseler Jung-Fundi
Die Europaabgeordnete Ilka Schröder stänkert gegen ihr Partei-Establishment
Als Joschka Fischer auf Frankfurts Straßen Staat und Kapitalismus bekämpfte, war sie noch gar nicht geboren. Auch die Schlachten in Gorleben und an der Startbahn West kennt sie nur vom Hörensagen. Ilka Schröder ist 22 Jahre alt, jüngste Europaabgeordnete aller Zeiten und schrillste Revoluzzerin gegen die Parteioberen und deren angeblichen Verrat an den grünen Idealen von einst. »Wer sicherstellen will, dass Deutschland weiterhin Kriege führen kann, muss die Grünen unterstützen«, ist einer der Sprüche, mit denen sie die eigene Partei regelmäßig zur Weißglut bringt.
Einen »Lügner und Kriegstreiber«
nennt sie Joschka Fischer. Den Farbbeutelwurf auf den Außenminister auf dem Grünen-Parteitag im Mai 1999 verteidigt sie zwar nicht direkt, will ihn aber doch »im politischen Zusammenhang sehen«. »Was ist ein geplatztes Trommelfell gegen Tausende von Toten im Kosovo?«
Sie halte sich strikt an das Parteiprogramm, rechtfertigt sich die Frau vom linken Rand nach derlei Attacken - und haut munter weiter auf die Fundi-Pauke. Gegen Nato und Expo, gegen Globalisierung und Straßenbau.
Vor allem aber gegen die eigene »regierungselitäre« Parteispitze in Berlin. »Mit den Grünen hat das nichts mehr zu tun«, giftet Ilka Schröder. »Das ist eine andere Partei geworden.« So betreibe die rot-grüne Regierung eine »menschenverachtende« Ausländerpolitik, wettert die Ökonomiestudentin und fordert allen Ernstes EU-Subventionen für Schleuserbanden. »Die Preise für die Dienstleistungen der Schleuser sind zu hoch. Das können sich nur Reiche leisten.«
Die Geduld der Bündnisgrünen
hat sie damit freilich erschöpft. Dass die kesse Berlinerin voriges Jahr überhaupt auf den sicheren fünften Listenplatz kam und damit auf einen Schlag mehr Diäten kassiert, als der Rest ihrer WG an Bafög, war »ein Unfall« kolportieren ihre Gegner in der Fraktion.
»Es gibt keine politischen Gemeinsamkeiten mit Frau Schröder«, konstatiert Heide Rühle, Chefin der deutschen Grünen in Brüssel kühl. »Mit den abgelassenen Dummheiten hat sie sich außerhalb der Partei gestellt.« Nun soll der Bundesvorstand sie ins Gebet nehmen. »Möglichst bald« werde er mit der Querulantin reden, bestätigt Grünen-Geschäftsführer Reinhard Bütikofer. Die sieht dafür keinen Bedarf: »Was soll das bringen? Ich habe absolut keinen Grund, etwas zurückzunehmen.«
Zur Rückgabe ihres Mandates im EU-Parlament kann sie niemand zwingen. Selbst wenn sie die Bündnisgrünen aus der Partei werfen - was in den Augen Ilka Schröders »völlig paradox« wäre. »Ich bin näher dran am Programm als Fischer und Co. So schnell kann man das gar nicht umschreiben, wie die sich um 180 Grad gedreht haben.«
Georg Meck, Focus vom 19.Juni 2000 S. 70
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