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Datum: 20.06.2000
Autor: Michael Neubauer
Quelle: Badische Zeitung
Die 22jährige Europaabgeordnete Ilka Schröder verschreckt die eigene Partei mit sonderbaren Ideen und Kritik an deren Politik
Jung und grün - erst gut, jetzt schlecht fürs Image
Von unserem Korrespondenten Michael Neubauer
STRASSBURG. Ilka Schröder lässt etablierte Bündnisgrüne unruhig werden. Der »grüne Fratz« (tageszeitung) und seine Vorschläge bringen die Partei so weit, die eigene sonst so umgarnte - Jugend zu mobben. Der Berliner Vorstand solle seiner 22-jährigen Europaabgeordneten endlich zeigen, wo die Grenzen liegen, sagt Heide Rühle, die ebenfalls für die Grünen im Straßburger Parlament sitzt. Die Parteispitze habe die Probleme mit dem Youngster schleifen lassen.
Schröder hat vor einigen Wochen in ihrer Informationszeitschrift »Denkpause« vorgeschlagen, Schleuserbanden an der Ostgrenze zu subventionieren. Die Dienstleistungen der Fluchthelfer seien die einzige Möglichkeit, nach Europa zu kommen. Derzeit könne sich nur eine reiche Elite der Flüchtlinge den teuren Menschenschmuggel leisten. Die Parteichefin Antje Radcke nannte diese Idee »dümmlich und kontraproduktiv« und Ilka Schröder »ein Kind, das von praktischer Politik nichts versteht«.
Im vergangenen Jahr kam Schröder den Grünen noch sehr gelegen: Die Jungwähler waren der Partei vor allem bei der Hessenwahl davongelaufen. Um das Image der Grünen aufzufrischen, war Schröders Nominierung durchgedrückt worden. Inzwischen denken die niedersächsischen Grünen jedoch sogar an ein Parteiausschlussverfahren, weil Schröder an der schlechten Organisation der Kampagne für »grünen Strom« herumgemeckert hat.
»Wenn man keine inhaltlichen Argumente mehr hat, stigmatisiert man Leute wegen Äußerlichkeiten - und bei mir ist es halt das Alter«, wirft Schröder enttäuscht ihren älteren Kollegen vor. Dass Parteimitglieder jetzt eine Aufsicht für Schröder fordern, stimmt sie nachdenklich: »Was hier passiert, ist höchst undemokratisch.« Schröder, die mit 15 Jahren bei den Grünen eingetreten ist und das Alternative Jugendbündnis mitbegründet hat, sieht sich »komplett auf Programmlinie«: »Eigentlich müssen sich zurzeit andere rechtfertigen.«
Entsetzen brach aus, als in Schröders Newsletter Sätze standen wie: »Wer sicherstellen will, dass Deutschland weiterhin Kriege führen kann, sollte 2002 unbedingt die Grünen unterstützen.« Liest man Schröder ihre eigenen Sätze vor, erklärt sie selbstbewusst: »Wenn inzwischen sogar Bundeswehroffiziere das Bundeswehrkonzept der rot-grünen Regierung als das effizienteste loben und wir uns daran beteiligen, die Armee mit neuen Maschinen aufzurüsten, stimmt das doch.« Das Anliegen der Grünen sei schließlich immer gewesen, die Armee abzuschaffen.
Dass immer mehr Leute aus der Partei austreten würden, dass weniger als ein Prozent auf »grünen Strom« umgestiegen seien, dass die Basis ihre Nabelschnüre zur Partei gekappt sähe - all das zeige ihr, dass sie mit ihren provokanten Ideen richtig liege: »Ich mache praktische Vorschläge, über die wir uns gerne streiten können. Aber dürfen wir inzwischen nur noch das sagen, was regierungskonform ist?«
Schröder sieht sich für den Wechsel kämpfen, den die Wähler wünschten. Sie will auf ihrer eigenen Homepage (www.ilka.org) Debatten anstoßen. Sie verfolgte die Proteste gegen die Welthandelskonferenz in Seattle, schoss zwischen Tränengas und Polizeipferden Fotos und schickte sie via Internet nach Hause. »Ich habe mich entschieden, radikal für Veränderungen innerhalb des Systems einzutreten«, sagte sie einmal. Etablierten Europa-Kollegen wie Daniel Cohn-Bendit fällt zu Schröder allerdings nur ein: »Jaja, die ist jung.«
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