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Ilka Schröder

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Datum: Januar/Februar 2001
Quelle: EMMA, S. 38/39.
Autor: Ute Scheuch

Jung, weiblich, nervig

Ute Scheuch findet es nicht überraschend, dass die Abgeordnete Schröder das Parlament für eine WG hält. Die Soziologin kritisiert den Jugendwahn und fordert 30 Jahre als Mindestalter für Gewählte.

Die Grünen proben etwas für sie Neues: Ernsthaft wird in ihren Reihen überlegt, ein Parteiausschlussverfahren gegen Ilka Schröder einzuleiten: Das 22-jährgie Enfant terrible, seit 1999 Mitglied des Europaparlamentes, wirbelt die Grünen mächtig durcheinander. Mit selbstbewussten, frechen Sprüchen lässt sie kein gutes Haar an den Vorderen in ihrer einst selbst so aufmüpfigen Partei, wenn sie mit deren Politik nicht einverstanden ist. Joschka Fischer, immerhin Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland und ihr Außenminister, ist für sie schlicht ein "Kriegstreiber". Massiv greift sie ihn wegen seiner einst führenden Rolle im Kosovo-Krieg und beim jetzigen Schaffen einer EU-Eingreiftruppe an. Und gelangweilt winkt sie ab, wenn sie auf die Farbbeutelattacke auf Fischer während des Bielefelder Parteitages 1999 angesprochen wird: "Was ist ein geplatztes Trommelfell gegen Tausende Tote im Kosovo?"
Sollten wir also glücklich sein über die junge Frau, die gegen das Sturm läuft, was ich für eine der gravierendsten Fehlentwicklungen unserer real existierenden Demokratie halte: Dass nämlich bei allen Parteien, auch bei der jüngsten, zu beobachten ist, wie die innere Demokratie zugunsten einer Feudalisierung zurückgedrängt wird? Das einstige Schreckensgespenst des Establishments, der Hausbesetzer Fischer, gilt heute als eines der autoritärsten, selbstherrlichsten Regierungsmitglieder. Als seine Gegner macht der Staatsmann gerne grüne Frauen aus, die gegen ihn aufmucken.
Das System der Machtübernahme durch Cliquen ist außer Kontrolle geraten (Emma 2/2000) - auch für die Grünen gilt das, Tendenz zunehmend.
Und aus noch einem Grund müssten wir eigentlich zufrieden darüber sein, dass Ilka Schröder den frühen Sprung in das Europaparlament geschafft hat. Als Normalfall hat sich in Deutschland nämlich die Untugend eingeschlichen, dass eine Handvoll Funktionäre in Hinterzimmern vorentschieden, welche Kandidaten auf ihren ausgeklüngelten Personallisten wo platziert werden. Auf Delegiertenversammlungen werden diese Personalabsprachen dann von gestandenen Männern in der Regel brav abgenickt. Es gilt als gewagt, gegen den bzw. die Handverlesenen unangemeldet zu kandidieren. Tut es dennoch jemand, kann er/sie eigene politische oder sonstige Karrierewünsche für immer begraben oder zumindest lange zurückstellen.
Für Ilka Schröder galt das alles nicht. Auf dem Parteitat in Erfurt waren die auch bei den Grünen längst üblichen Absprachen - hier zwischen den beiden Flügeln Realos und Linke - für einen gemeinsamen Europa-Kandidaten für die Wahlen 1999 gescheitert. Ilka Schröder nutzte geschickt die Gunst einer selten gewordenen Stunde und kandidierte aus dem Stand heraus.
"Aus dem hohlen Bauch" heraus wählten genügend Delegierte die damals gerade 21-jährige Studentin und sicherten ihr den Sprung auf den guten Listenplatz 5. Die den Parteitag überzeugend Leistungen der Kandidatin: Schon mit 15 Jahren hatte Ilka Schröder sich für den Aufbau des bundesweiten Grün-Alternativen Jugendbündnisses eingesetzt; ab 18 war sie Vorstandsmitglied der europäischen Grünen Jugend. Das war es aber auch schon. Auf die Karriere von Ilka Schröder trifft die Machart der Radio-Eriwan-Sprüche zu: Im Prinzip ist das Besondere an ihr zu begrüßen, für ihre Praxis gilt das Gegenteil.
Beruflich konnte Ilka Schröder wegen ihre jugendlichen Alters nichts aufweisen. Nach dem Abitur mit 19 Jahren hatte sie sich als Studentin der Wirtschaftswissenschaften in Oldenburg eingeschrieben. Dort lebte sie öffentlich in ihrer eigenen auf einen beschränkten Blickwinkel reduzierten Welt. So war es gar nicht so überraschend, dass die junge Alternative sich nach ihrem Einzug in das Parlament prompt von ihrer eigenen Partei abgrenzte und betonte, ihre Idee von Politik habe "nichts mir Parteipolitik zu tun, sondern eher damit, aktiv zu sein: Ich will gute Dinge tun".
Zu den guten Dingen gehörten dann der Freikauf eines Atomkraftgegeners aus der Haft oder die Ausstattung von Demonstranten in Berlin mit Trillerpfeifen und roter Farbe, damit diese ein Bundeswehrgelöbnis "phantasievoll" stören können. Die unkontrollierte Zuwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen aus aller Welt, insbesondere durch kriminelle Schlepperbanden, die auch den Tod ihrer "Schützlinge" billigend in Kauf nehmen, kümmert sie nicht. Im Gegenteil: Nach dem qualvollen Tod von 58 illegalen Einwanderern aus China forderte die komplett lebensunerfahrene Schröder, diese verbrecherischen Schleuserbande an der EU-Ostgrenze zu subventionieren. Ihren Noch-Fraktionskollegen Ozan Ceyhun beschimpfte sie, als der schärfere Polizei- und Grenzmaßnahmen gegen die Schlepperkriminalität verlangte: Damit habe er den Toten "noch zusätzlich ein Messer in den Rücken" gestoßen.
Das Fass war voll. Die Schatzmeisterin der Grünen im Europaparlament, Heide Rühle, drohte mit Rücktritt, wenn nichts gegen Ilka Schröder geschehe, die sich "mit ihren Dummheiten" außerhalb der Partei gestellt habe. Ihrem Fraktionskollegen Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf, seit 1984 Mitglied des Europaparlamentes, rissen die Nerven: Er bezeichnete Ilka Schröder als "spätpubertär", sie verwechsle die Grünen-Fraktion mit einer "Selbstfindungsgruppe".
So liest sich in der Tat eine sechsseitige, eng bedruckte Erklärung zur "Situation in der Fraktion im Europäischen Parlament", die Ilka Schröder an Gott und die Welt verschickte. Ihre Kollegen finden ihre politischen Äußerungen "unverantwortlich". Für den Sprecher der Grünen Fraktion im Bundestag, Dietmar Huber, ist die junge Ilka nur noch "eine dumme Gans".
Daniel Cohn-Bendit, Grünen-Mitbegründer, reagierte scheinbar gelassener: Er nehme sie einfach weniger ernst. Damit traf er - vielleicht unfreiwillig - den Kern: Nämlich dass immer häufiger Menschen ein Mandat erringen können, ohne überhaupt für irgendetwas sachlich kompetent zu sein oder über genügend Lebenserfahrung zu verfügen.
Eine Bewährung in einem politikfernen Beruf von mindestens zehn Jahren wäre ebenso vernünftig wie die Heraufsetzung des passiven Wahlalters auf 30 Jahre. Es ist nicht auszuschließen, dass die junge Frau dadurch lebenslängliche Spätschäden davon tragen wird: zu früh zu hoch gekommen. Schon jetzt sind Politikruinen zuhauf in Deutschland zu besichtigen. Opfer des Jugendwahns der Parteien.

Ute Scheuch, in EMMA, Januar/Februar 2001, Seite 38/39

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