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Datum: 4.6.2000
Autor: Oliver Santen
Quelle: Welt am Sonntag
Diese Grüne ist selbst den Grünen viel zu grün
Sie will Schleuserbanden mit EU-Mitteln subventionieren und sieht in Deutschland "Verhältnisse wie unter Milosevic". Droht der jungen EU-Abgeordneten Ilka Schröder jetzt der Rauswurf?
Von Oliver Santen
Berlin - Es war eine Szene mit Symbolcharakter. Während der grüne Außenminister Joschka Fischer am Freitag auf dem Aachener Katschhof dem frischgekürten Karlspreis-Träger Bill Clinton applaudierte, reihte sich seine Parteifreundin Ilka Schröder ein paar Straßen weiter in eine lautstarke Demonstration gegen die feierliche Zeremonie ein. Schwer bewacht von Polizei und Sicherheitskräften protestierte die 22-jährige EU-Abgeordnete unter dem Motto "Kein Preis für Krieg" mit 800 Gleichgesinnten gegen den "kriegstreibenden" US-Präsidenten.
Peinlich für Fischer - nicht aber für Ilka Schröder, die sich ebenso wie der Außenminister als überzeugte Grüne versteht. Doch seit sie vor einem Jahr als jüngste Abgeordnete ins EU-Parlament einzog, hat sie sich mit markigen Sprüchen und provokanten Aktionen in der eigenen Partei viele Feinde geschaffen.
Im September 1999 kaufte sie einen Atomkraftgegner, der sich an Bahnschienen gekettet hatte, aus dem Gefängnis frei, indem sie seine Geldstrafe bezahlte. Begründung: es dürfe nicht sein, dass Atomkraftgegner für ihren gewaltfreien Protest bestraft würden. In ihrer regelmäßig erscheinenden Informationsschrift "Denkpause" sprach sie sich dafür aus, Schleuserbanden an der EU-Ostgrenze mit EU-Mitteln zu subventionieren, weil es sich dabei schließlich um eine "Dienstleistung" handele: Die Fluchthelfer seien für viele Menschen "die einzige Möglichkeit, nach Europa zu kommen" und die von den Flüchtlingen gezahlten Summen "oftmals zu hoch".
Zur Eröffnung der Expo in Hannover in dieser Woche prangerte die junge Grüne in einer Erklärung "Zustände wie im heutigen Jugoslawien" an. Mit der polizeilichen Durchsuchung des "Anti-Expo-Camps" trete die deutsche Polizei "in die Fußstapfen ihrer jugoslawischen Kollegen unter Milosevic, die ebenfalls kritische Meinungsäußerungen zu verhindern versuchen". Und in der aktuellen Ausgabe der "Denkpause" legte Schröder erneut nach. Im Editorial heißt es wörtlich: "Wer sicherstellen will, dass Deutschland weiterhin Kriege führen und gewinnen kann, sollte 2002 unbedingt die Grünen unterstützen."
Die Grünen überlegen inzwischen, wie sie das aus dem Ruder gelaufene EU-Kücken wieder einfangen können. Fraktionskollegin Heide Rühle distanzierte sich deutlich. Es sei offensichtlich, "dass es Ilka Schröder an Augenmaß und politischer Erfahrung" mangele. Die Parteiführung habe die Probleme mit der unbequemen Mandatsträgerin "schleifen lassen". Die niedersächsischen Grünen sind gar so verärgert, dass sie über ein Parteiausschlussverfahren nachdenken."
So weit will der Bundesvorstand bisher nicht gehen. "Einige ihrer Äußerungen halte ich für sehr bedenklich. Vorrang hat aber der Dialog und nicht disziplinarische Drohungen", meint Parteichefin Antje Radcke. In einem offenen Gespräch müsse Ilka Schröder erklären, ob sie bereit sei, sich der Beschlußlage der Partei unterzuordnen. Dieser Job komme in erster Linie auf Heike Rühle zu, sagte Radcke. Danach sei sie gerne bereit, auch im Bundesvorstand mit der 22-jährigen zu reden. "Auch Ilka Schröder muss sich an Mehrheitsmeinungen halten. Jungsein ist kein Qualitätskriterium."
Für Ilka Schröder selbst ist die ganze Aufregung nur schwer zu nachzuvollziehen. "Es muss doch erlaubt sein, auf Missstände bei den Grünen aufmerksam zu machen. Und nur das habe ich getan", sagte sie Welt am Sonntag. Die Partei habe sich mit keiner ihrer Forderungen inhaltlich auseinandergesetzt. "Es wird nur darüber geredet, dass man mich aus der Partei ausschließen will, aber nicht darüber, wie die Grünen es verhindern wollen, dass es zu weiteren Kriegen kommt."
Die Kritik aus der Parteispitze bezeichnet Ilka Schröder als plumpe Diffamierungen. "Wer mich nur wegen meines Alters kritisiert, der diskreditiert sich doch selbst." Die Grünen hätten in vielen Punkten verlernt, eigene Positionen zu beziehen. "Regierungspolitik ist eben nicht grüne Parteipolitik." Wenn wie im Kosovo Bomben fallen und Zivilisten sterben, habe das nichts mit einem Menschenrechtseinsatz zu tun. "Da kann ich nicht schweigen", sagt Schröder. "Es geht für mich darum, Politik für Menschen zu machen. Wenn die Grünen aber Politik gegen Menschen machen, werde ich weiterhin darauf aufmerksam machen."
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