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Ilka Schröder

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Datum: 10.6.1999
Autorin: Constanze v. Bullion
Quelle: Süddeutsche Zeitung

Eurofighterin für den Frieden

Mit 21 Jahren hat die Grüne Ilka Schröder gute Chancen, die jüngste deutsche Abgeordnete im Europaparlament zu werden

Von Constanze v. Bullion

Die Kandidatin spricht in einem Tempo, das Hören und Sehen vergehen läßt. Atemlos geißelt Ilka Schöder die »krassen Begleiterscheinungen« des Krieges, warnt vor der »neuen Nato-Doktrin« und kanzelt forsch die »Militarisierung der Außenpolitik« ab. »Es mag jetzt diesen vordergründigen Frieden im Kosovo geben«, sagt sie, »aber eine friedliche Gesellschaft kann man mit militärischem Drohpotential nicht herstellen.« Morgens ein Interview im Zug, mittags vor die Presse in Frankfurt, abends zurück nach Berlin. »Wahlkampf macht schon Spaß, aber im Moment ist es natürlich Psychostreß«, erklärt die blasse junge Dame, die eben zur Zwischenlandung auf dem Teppichboden ihres winzigen WG-Zimmers angesetzt hat. Ilka Schröder steht auf Platz 5 der bündnisgrünen Europaliste.
Bekommt ihre Partei am nächsten Sonntag auch nur fünf Prozent der Wählerstimmen, sitzt die 21jährige als jüngste deutsche Abgeordnete im Straßburger Parlament. »Und dann«, vermutet sie, »könnte der Ärger erst richtig losgehen.« Dabei gehört die Studentin eigentlich zu den politischen Senkrechtstartern. Im März hievten die Grünen sie überraschend in eine der begehrten Startpositionen nach Europa. Weil der Partei bei der Hessenwahl die Jungwähler abhanden gekommen waren, setzten die Delegierten auf Schröders Jugend, ließen die EU-Kennerin Edith Müller auf der Strekke - und wurden von Heide Rühle prompt gerüffelt. Man müsse stärker auf »Fachkompetenz« achten, mahnte die grüne Europa-Spitzenkandidatin damals. Heute dürften die Altvorderen der Partei noch stärker bezweifeln, ob der Grünschnabel aus Berlin reif für die internationale Bühne ist. »Der Farbbeutel traf keinen Zivilisten«, schrieb Ilka Schröder im Internet, nachdem Joschka Fischer von Kriegsgegnern mit roter Farbe beworfen worden war. Auf ihrer Homepage spottete sie über den »Kollateralschaden« an Fischers Trommelfell: »Der Einsatz von Buttersäure und Farbbeutel wird wohl eher als humanitäre Intervention in die Geschichte eingehen als die außerparlamentarischen Aktivitäten rot-grüner Tornados über Jugoslawien.«
Ilka Schröder gehört zu den unversöhnlichen Peaceniks, die in Dortmund kürzlich ein antimilitaristisches Netzwerk knüpfen wollten. »Keine Stimme für die Kriegsparteien« hieß der Devise der Versammlung. Keine Stimme also für Ilka Schröder?
Daß man nicht im warmen Nest der Basis sitzen und gleichzeitig zu den Wipfeln der Macht hinaufklettern kann, dringt nur langsam zu der jugendlichen Eurofighterin durch. »In der Partei werden die Leute massiv gemobbt, die in Dortmund mitgearbeitet haben«, ärgert sie sich. »Ich verlasse das Bündnis trotzdem nicht.« Kompromisse sind eben nicht die starke Seite dieser schmalen Person, der ständig ein freches Zwinkern um die ungeschminkten Augen huscht. Und die »willensstark« sagt, wenn man sie nach ihren wichtigsten Eigenschaften fragt.
Ilka Schröder ist schon früh bei den Grünen gelandet, doch mit Aufmucken hat das wenig zu tun. Aufgewachsen ist sie im gutbürgerlichen Berlin-Reinickendorf, »mit Kleingartenverein«, aber abseits der politischen Engstirnigkeit, gegen die noch die Parteigründer rebellierten. »Meine Eltern sind nicht so kraß drauf, die wählen selber grün«, sagt sie. Mutter Schröder ist Lehrerin, der Vater technischer Zeichner, erfreut schaute er der Tochter zu, die auf dem Schulhof Blümchen pflanzte und ein Grün Alternatives Jugendbündnis gründete. »Ich habe jahrelang versucht, den Regenwald zu retten«, erzählt Ilka Schröder, »aber irgendwann wollte ich nicht mehr nur Umweltschutz machen.«
Ganz langsam ist sie aus den Öko-Themen herausgewachsen. Als Austausschülerin in Neuseeland fand sie »die Konflikte mit den Maori total spannend«, stellte dann aber fest, daß sie nicht immer »‘nen blöden Rock als Schuluniform tragen« wollte - und fand zu ihren natürlichen Lebensgrundlagen zurück. »Ich hab' mich riesig auf die U-Bahn gefreut«, erinnert sich die Westberlinerin, die bei der Grünen Jugend einstieg und im Vorstand der Federation of Young European Greens sitzt. Da organisiert sie Seminare über Erwerbsgesellschaft und Flüchtlingspolitik. Immer nach dem Motto: »Jungs reden überall mit, auch wenn sie keine Ahnung haben. Das kann ich auch.« Daß sie »Ahnung von den Basics in Europa« hat, ist für Schröder trotzdem keine Frage. »Ich setze mich für ein Europa der Bürgerrechte ein, wo nicht nur wirtschaftliche Verwertbarkeit zählt, sondern auch eine offene, solidarische Gesellschaft.« Springen die Grünen am Sonntag über die Fünf-Prozent-Hürde, verdient sie 18.000 Mark im Monat, verabschiedet sich von ihren acht Mitbewohnern und von ihrem Wirtschaftsstudium. Das habe sie sowieso angekotzt, da gab es keinerlei kritische Diskussionen«.
Was bleibt, ist die Sorge, als »Quotenjugendliche« verheizt zu werden. Und in Straßburg nichts bewegen zu können. »Sicher wird es eine Weile dauern, bis ich den Kollegen verklickert habe, daß ich keine Praktikantin bin«, sagt Ilka Schröder. »Politik«, schiebt sie dann mit forscher Stimme nach, »ist kein sicheres Geschäft. Da da wird man sowieso irgendwann zurückgepfiffen.« Womöglich sogar von den eigenen Leuten.
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