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Ilka Schröder

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Überwachungsstaat

Überall lauert er. Doch meist ist er nicht zu sehen.
Realität am Ende des Jahrhunderts, BürgerInnenrechte werden abgebaut durch immer lückenloserer Bespitzelung z. B. im Internet (Echelon), in der Öffentlichkeit (Überwachungskameras) oder im Privaten (Telefonabhören).

Auf dem Trip in den Überwachungsstaat
Drogen sind eine beliebte Rechtfertigung

Von Ilka Schröder

Die Europäische Union hat sich mit ihrer Drogenpolitik der letzten Jahrzehnte selbst in eine Sackgasse befördert. Der EU-Aktionsplan zur Drogenbekämpfung 2000-2004 unterscheidet sich kaum von früheren Aktionsplänen. Der wichtigste Baustein der EU-Drogenpolitik ist die Dämonisierung der verbotenen Substanzen. Tatsächlich aber werden die NutzerInnen durch Falschinformationen nur gefährdet. In der Ära Helmut Kohl ist in Deutschland die Zahl der Drogentoten von jährlich 300 auf etwa 2000 gestiegen. Repressive Drogenpolitik hat nicht primär die Hilfe für Süchtige zum Ziel - hier liegen die Ausgaben bei etwa 25 Millionen DM für Suchtforschung und -prävention, sondern den Ausbau des polizeilichen Überwachungsapparates, wofür allein im Drogenbereich drei Milliarden DM zur Verfügung stehen.

Gut sichtbar wird die Instrumentalisierung der Drogenbekämpfung für Zwecke des Grundrechtsabbaus an der Entstehungsgeschichte der europäischen Polizeibehörde EUROPOL. Der maßgebliche Vorläufer der zum 1. Juli 1999 offiziell errichteten EUROPOL war die European Drugs Unit (EDU). Auch wenn der Name suggeriert, hier ginge es hauptsächlich um Drogenbekämpfung, schließt deren Arbeitsgebiet weit darüber hinausgehende Bereiche mit ein. Unter dem Motto „Drogenbekämpfung" verbarg sich vor allem die Bekämpfung der sogenannten „organisierten Kriminalität". EDU übernahm allgemeinpolizeiliche Aufgaben und war von Anfang an genauso wenig kontrollierbar wie nun EUROPOL. Für ihre Arbeit können die beiden Behörden schon deshalb nicht verantwortlich gemacht werden, weil alle BeamtInnen Immunität genießen.

Aber auch auf nationalstaatlicher Ebene wurde mit der repressiven Drogenpolitik ein massiver Grundrechtsabbau begründet, der nur von den gegen die RAF gerichteten Maßnahmen in den Schatten gestellt wird. Während für den Verkauf von legalen Drogen wie Alkohol und Nikotin in Deutschland sogar geworben werden darf, setzte der Gesetzgeber in den letzten Jahrzehnten - begründet mit der Bekämpfung verbotene Substanzen - wichtige Grundrechtsprinzipien außer Kraft.

Besonders dramatisch ist die repressive Drogenpolitik für AsylbewerberInnen, die durch das Arbeitsverbot oft gesetzeswidrig handeln müssen, um sich ein Überleben zu sichern. Sie können wegen Drogendelikten bereits vor Abschluss des Asylverfahrens abgeschoben werden. Hier wurde also ein Mittel gefunden, sie für die Illegalität, in die sie qua Gesetz getrieben werden, zu bestrafen. Die durch Drogen entstehende Kriminalität besteht nur zum kleinsten Teil aus dem Konsum von und dem Handel mit Rauschmitteln. Schwerer wiegt der Zwang zur Beschaffungskriminalität, der durch die Illegalisierung des Konsums und der KonsumentInnen verursacht wurde. Durch die Illegalisierung potenziert der Staat die mit Drogenkonsum verbundene Kriminalität.

Den InnenpolitikerInnen der meisten Parteien gefällt zudem das Drohgespenst Drogenkriminalität. Durch das „Drogenproblem" wird es einfacher, die lückenlose Überwachung des öffentlichen und privaten Raumes durchzusetzen. In Berlin fordern alle Parteien - einschließlich Bündnis 90/Die Grünen - mehr Polizeipräsenz auf der Straße. Bei der Durchsetzung des großen Lauschangriffes öffnete der Hinweis auf die „organisierten Drogenkriminalität" die Türen zur öffentlichen Zustimmung.

In jeder Gesellschaft werden Drogen konsumiert. Wer das anerkannt, kann versuchen, rational mit Drogen umgehen und eine emanzipatorische Drogenpolitik gestalten. Sachliche Information über alle Stoffe und Präventionsprogramme gerade für junge Menschen könnten viel zu einem eigenständigem, selbstbestimmtem und verantwortungsbewussten Umgang mit Drogen beitragen.

Diese Schritte wären nicht nur für diejenigen, die aus ihrer Abhängigkeit entkommen wollen, sondern auch für alle AnhängerInnen der Grundrechte ein Fortschritt.

(aus: ila. Zeitschrift der Informationsstelle Lateinamerika. 230 November 1999)

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