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Ilka Schröder

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Sonder-Denkpause | 10.03.01

Programmwechsel nur mit uns

[Argumentationstool für Grundsatzdebatte]

Die Zeiten ändern sich. Wer früher noch in einer berüchtigten Reinigungsfirma Frankfurter Pflastersteine polierte, ist heute vielleicht schon Teil der sich verselbständigenden Herrschaftsordnung.

Ein Regierungswechsel bedeutet noch keinen Politikwechsel - solange er ohne die Grünen passiert. Das war die Hauptaussage des grünen Bundestagswahlkampfes 1998. Einige glaubten, dass auch eine Regierungsbeteiligung der deutschen Grünen keine politische Wende einleiten würde. Diese Meinung hat sich als zu optimistisch herausgestellt.
Der Sozialabbau bekommt ebenso neuen Schwung wie der Umbau und Einsatz der deutschen Armee als angriffslustige Interventionstruppe. Die Atomkraftwerke tragen ungestörter als je zuvor zum Bruttosozialprodukt bei. Doch auf dem Dachboden der Grünen sind dabei einige Positionen liegengeblieben, die zu Beginn des neuen Jahrtausends entrümpelt werden müssen. Eine Kernfrage ist die der Gewalt. Wann ist es erlaubt, dem anderen mit Knüppel, Splitterbombe oder Wumme eins auf die Rübe zu geben? Wann kann man so etwas »gestaltende Friedenspolitik« nennen, wann ist es Militanz oder gar Gewalt?
Unter dem angesammelten Staub lässt sich im alten Grundsatzprogramm noch entziffern: »Wir wenden uns ganz entschieden gegen Rohstoffraubkriege, aus denen eines Tages der Dritte Weltkrieg entstehen kann.« Die Abneigung gegen Rohstoffkriege ist aus heutiger bündnisgrüner Perspektive unbegründet: Selbstverständlich wird sich Deutschland in den nächsten Jahren und Jahrzehnten an Kriegen beteiligen, die den Zugang zu zentralasiatischer Energie und Bodenschätzen sicherstellen sollen. Die Befürchtung, dass diese einen »Dritten Weltkrieg« auslösen würden, ist aber angesichts der Abschreckungskapazität unserer Armee unwahrscheinlich. Einen Gegner außerhalb der NATO gibt es nicht mehr. Und die Amis werden vielleicht irgendwann Probleme haben, gegen eine EU-Armee unter deutscher Führung zu gewinnen. Daher erübrigt sich auch die Ankündigung: »Wir werden notfalls die Bevölkerung zum Widerstand gegen solche grundgesetzwidrigen Angriffskriege aufrufen.« Wer gegen unsere Angriffskriege mit Farbbeuteln, Desertationsaufrufen, Totalverweigerung oder Hausfriedensbruch reagiert, kommt in den Knast.
Um ungestraft richtig militant zu sein, muß man in die Regierung. Das hat jetzt auch Hans-Joachim Klein kapiert, der mit dem Umlegen politischer Gegner nicht warten wollte, bis er als Außenminister vereidigt wurde.
Früher nützlich, heute ärgerlich sind ökologische, soziale und antimilitaristische Straßenproteste. Die Grünen hatten einst gesagt: »Gewaltfreiheit schließt aktiven sozialen Widerstand nicht aus, bedeutet also nicht die Passivität der Betroffenen. Der Grundsatz der Gewaltfreiheit bedeutet vielmehr, dass zur Verteidigung lebenserhaltender Interessen von Menschen gegenüber einer sich verselbständigenden Herrschaftsordnung unter Umständen auch Widerstand gegen staatliche Maßnahmen nicht nur legitim, sondern auch erforderlich sein kann.« Die Zeiten ändern sich. Wer früher noch in einer berüchtigten Reinigungsfirma Frankfurter Pflastersteine polierte, ist heute vielleicht schon Teil der sich verselbständigenden Herrschaftsordnung.
Die naheliegendste Antwort, warum gegen einen von den Grünen organisierten Castor-Transport heute nicht mehr protestiert werden darf, findet sich aber im Grundsatzprogramm selbst: »Im vollausgebauten Atomstaat sind aus zwingenden Gründen demokratische Grundrechte und bürgerliche Freiheiten nicht mehr möglich.«
Diese Freiheiten waren allerdings auch in den siebziger und achtziger Jahren nicht allen heutigen Grünen wichtig. Hans-Gerhart (»Joscha«) Schmierer, Sekretär des ZK des Kommunistischen Bund Westdeutschland, beglückwünschte noch am 15. April 1980 den Massenmörder Pol Pot: »Seine Siege im Kampf gegen den US-Imperaialismus und beim Aufbau des Landes hat das kampucheanische Volk unter der Führung der Kommunistischen Partei Kampucheas errungen. Sie sind das Ergebnis der korrekten Linie der KPK und der korrekten Politik der Einheitsfront im Inneren wie in den internationalen Beziehungen.« Nicht so korrekt fand Schmierer dagegen die Arbeit der Kommunistischen Volkszeitung des KBW. Dort kritisiert das ZK die »ideologische und politische Abweichung, wie sie nur so lange immer wieder unvermeidlich vorkommen wird, wie die bürgerliche Linie in der Redaktionsarbeit nicht liquidiert ist« (nach FAZ 31.01.2001). In den neunziger Jahre wachte Schmierer im Zentralorgan der grünen Realos »Kommune« über die korrekte Linie, heute kämpft er im Beraterstab des deutschen Außenministers Joseph Fischer.
Als Ersatz für die im rot-grünen Atomstaat verlorengegangenen bürgerlichen und demokratischen Freiheiten bietet sich heute immerhin noch die marktwirtschaftliche Freiheit an. Alle, die ein paar Pfennige mehr pro Kilowattstunde zahlen wollen, empfehlen BUND und Grüne einen Vertrag über den Verbrauch von ökologisch erzeugtem Strom. Damit sind drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Verbraucherin hat ein gutes Gewissen, der Energieversorger bekommt den ökologischen Strom, den er aufgrund des Einsepeisegesetzes ohnehin erhöht vergüten muss, vom Verbraucher gut bezahlt. Würden massenhaft VerbraucheInnen auf Ökostrom umsteigen, könnte die Atomindustrie ihre Kraftwerke länger laufen lassen - schließlich wurden im »Konsens« Strommengen und nicht Laufzeiten vereinbart.
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Argumentationstool für Grundsatzdebatte


Nach dem ganzen Ärger mit den schwer umdeutbaren alten Positionen braucht die Partei ein neues Grundsatzprogramm. Das soll auch noch aktuell sein, wenn mal wieder eine andere Meinung chic ist. Ziel ist daher, möglichst viel zu schreiben, ohne etwas auszusagen. Das gleiche gilt für Parteitagsreden. HackerInnen haben für Sie aus dem Computer eines der beliebtesten Redenschreibers der Grünen ein Argumentationstool downgeloadet. Am Ende eines Ausdrucks kann ein Prädikat (erfordert, bedingt, bewirkt, unterminiert, bedeutet...) eingefügt werden, dann noch mal von vorne. Oder so: »Liebe Freundinnen und Freunde, unsere historische Aufgabe ist die Entwicklung einer … … …!«

Wenn Sie selbst eine Rede vor dem Parteitag halten wollen, kopieren Sie den Laberkasten auf neutrales Papier, da die Rückseite dieser Denkpause verräterisch wirken könnte. Stillere Charaktere können sich mit der Beobachtung begnügen, wie viele führende ParteifreundInnen dieses beliebte Argumentationstool bereits benutzen.

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